25.01.2016

Biomimetischer 4D-Druck

Komplexe Strukturen aus dem 3D-Drucker verformen sich selbstständig – Anwendung in Robotik und Biomedizin möglich.

Von der Selbstorganisation von Materialien versprechen sich Wissenschaftler viele Anwendungen etwa für autonome Roboter, eine gezielte Arzneiabgabe im Körper oder intelligente Kleidung. An der Harvard University in Cambridge entwickelte nun die Arbeitsgruppe um Lakshmi­narayanan Mahadevan eine Methode, mit der sich selbst­ständig verformende Objekte mit einem 3D-Drucker fertigen lassen. Dieses Verfahren bezeichnen sie als bio­mimetischen 4D-Druck, mit dem sie der Natur nach empfundene Strukturen aus einem 3D-Drucker, die danach ihre Form ändern, herstellten.

Abb.: Diese ringförmige, dreidimensionale Struktur bildet sich selbstständig nach der Fertigung in einem 3D-Drucker. (Bild: A. Sydney Gladman et al., Harvard University)

„Mit unserem Ansatz für 4D-Druck lassen sich Strukturen mit zuvor festgelegten Funktionen erschaffen“, sagt Mahadevan. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwickelte er zuerst eine spezielle Tinte, in der sie Zellulosefasern, kleine Tonpartikel und Kunst­stoff-Mono­mere (Dimethyl­acrylamid) miteinander vermischten. So entstand ein Hydrogel, das sich mit einem 3D-Drucker schichtweise in beliebigen Strukturen anordnen ließ. Den Rohling setzten die Forscher darauf UV-Strahlung aus, um den Kunststoff­anteil zu polymerisieren. Das Ergebnis war eine ausgehärtete, aber immer noch flexible Struktur.

Die digitalen Baupläne für den 3D-Druck der sich selbstständig verformenden Objekte entstanden über komplexe geometrische und mathe­matische Modelle. Jeder zu verformender Abschnitt eines Objekts bestand dabei aus zwei Schichten. Eine dieser Schichten konnte Wasser aufsaugen, schwoll dadurch an und bog das gesamte Objekt in eine drei­dimensionale Struktur. Die zweite Schicht mit einem größeren Anteil an Zellulosefasern und Tonpartikeln diente zur Stabilisierung des Objekts. Mahadevan und Kollegen kreierten nach diesem Prinzip etwa eine künstliche Orchideen­blüte oder eine fünfblättrige Ringstruktur, bei der sich die einzelnen Blätter zu kleinen Schaufeln verformten. Bei der Aufnahme von Wasser dauerte dieser Wandlungs­prozess eine knappe halbe Stunde.

Abb.: Aus diesem gedruckten, eher flachen Objekt entsteht die komplexe Form einer Orchideenblüte. (Bild: A. Sydney Gladman et al., Harvard University)

Der Großteil der Objekte konnte sich nach der Wasser­aufnahme nur ein einziges Mal in seine endgültige Struktur verformen. Um auch die Machbarkeit schaltbarer, reversibler Formen zu demonstrieren, nutzten sie für die Hydrogel-Tinte den Kunststoff Isopropyl­acrylamid. Dieser reagierte auf Temperatur­änderungen und erlaubte in noch relativ engen Grenzen eine mehrmalige, kontrollierte Form­änderung.

Mahadevan und Kollegen belegten mit diesen komplexen Objekten, dass mit einem 3D-Drucker und geeigneter Hydrogel-Tinte sich eine nahezu unerschöpfliche Vielfalt an sich selbst verformender Strukturen eröffnet. Je nach Anwendungs­gebiet – Robotik, medizinische Implantate, intelligente Kleidung – lassen sich nun Objekte mit der jeweils gewünschten Gestalt entwickeln. In weiteren Versuchen wäre es möglich, der Tinte andere Materialien wie Flüssigkristalle oder metallische Nano­stäbchen beizumischen, um den Objekten etwa elektrische Leit­fähig­keit, Schalt­vermögen und weitere Eigenschaften zu verleihen.

Abb.: Graphenpapier faltet sich unter Wärmestrahlung selbstständig zu einem Würfel. (Bild: Mu et al. / Sci. Adv.)

Bis zur Einsatzreife solcher gedruckten, sich selbst­organisierender Strukturen werden wohl noch einige Jahre vergehen. Dessen sind sich auch chinesische Forscher um Hongzhi Wang von der Donghua University in Shanghai bewusst. Ohne 3D-Drucker entwickelten sie vor einigen Monaten ein Material auf der Basis von Graphen, das sich bei der Zugabe von Wasser kontrolliert falten und sogar bewegen konnte. Hauchdünne Schichten aus Graphen­oxid verknüpften die Forscher in einem nass­chemischen Verfahren mit einem Kunststoff (Polydopamin). So entstand ein nur einige millionstel Millimeter dünnes Papier, das auf einer Seite Wasser aufnehmen konnte und auf der anderen Seite abstieß.

Im feuchten Zustand lag dieses Papier flach auf einer Unterlage. Wurde es mit Wärmestrahlung im nahen Infrarot­bereich beleuchtet und damit angetrocknet, faltete es sich binnen zwei Sekunden entlang vorher definierten Knicke auf. Danach schalteten die Wissenschaftler das Licht wieder aus. Eine Luft­feuchte von nur 40 Prozent reichte aus, damit das Papier wieder Wasser aufnahm und sich die Struktur innerhalb von drei Sekunden entfaltete. Vorteil dieses Ansatzes ist seine einfache Umsetzbarkeit. Doch erlaubt es bei weitem nicht die Formen­vielfalt des nun entwickelten 4D-Drucks.

Jan Oliver Löfken

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