14.08.2009

Biomotor mit Reibungsverlusten

Forscher in Dresden haben die Reibung gemessen, die auftritt wenn ein Kinesinmolekül an einem Mikrotubulus entlangläuft



Forscher in Dresden haben die Reibung gemessen, die auftritt wenn ein Kinesinmolekül an einem Mikrotubulus entlangläuft

Jeder laufende Motor muss gegen Reibungskräfte ankommen. Das gilt auch für die mikroskopisch kleinen Biomotoren wie das Kinesin, das den Materialtransport in der Zelle bewältigt. Dazu bewegt sich das Kinesin mit zwei „Füßen“ in nanometergroßen Schritten zielstrebig an einem fadenförmigen Mikrotubulus entlang, wobei mindesten ein Fuß auf dem Tubulus bleibt. Als Treibstoff dient Adenosintriphosphat (ATP). Welche Reibung das Kinesin dabei zu überwinden hat, haben Forscher um Jon Howard vom MPI für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und Erik Schäffer von der TU Dresden gemessen.

Abb.: Das an einer Plastikkugel befestigte Kinesinmolekül wird mit einer optischen Pinzette am fixierten Mikrotubulus entlang gezogen. (Bild: Volker Bormuth et al.)

Wurde dem Biomotor der Brennstoff ATP vorenthalten, so diffundierte das Kinesinmolekül ziellos auf dem Mikrotubulus herum. Das konnten die Forscher gut an einzelnen Kinesinmolekülen beobachten, die sie jeweils mit einem fluoreszierenden Farbstoffmolekül markiert hatten. Die mittlere quadratische Verschiebung eines Moleküls nahm linear mit der Zeit zu: <Δx(t)2> = D t. Daraus ergab sich die Diffusionskonstante zu D = 0.0043 µm2/s. Mit Hilfe der Einstein-Beziehung D = kBT/γ ließ sich dann der Reibungswiderstandskoeffizient γ bestimmen: γ = 0,95 µNs/m.

Anschließend maßen die Forscher die Reibung direkt. Dazu ließen sie Kinesinmoleküle auf 0,5 µm großen Polystyrolkugeln anhaften. Die einzelnen Kugeln wurden mit Hilfe einer optischen Pinzette über fixierte Mikrotubuli gezogen, wobei sichergestellt wurde, dass immer nur ein Kinesinmolekül mit einem Mikrotubulus wechselwirkte. Die Forscher zogen die Kugeln mit unterschiedlicher Geschwindigkeit v und maßen die dabei auftretenden Reibungskräfte. Es zeigte sich, das die Kraft zunächst linear mit v anwuchs: F = γ1v, wobei γ1 = 1,11 µNs/m gut mit dem zuvor bestimmten γ übereinstimmte.

Wurde die Kugel jedoch schneller als mit 1 µm/s bewegt, so wuchs die Reibungskraft langsamer als linear mit v an. Sie war somit kleiner als erwartet. Der gemessene Reibungskoeffizient γ1 stimmte nicht mehr mit dem aus der Einstein-Relation bestimmten γ überein, da das schnell bewegte Kinesinmolekül weit vom thermischen Gleichgewicht entfernt war und die Voraussetzungen der Einstein-Relation nicht mehr erfüllt waren. Eine höhere Bewegungsgeschwindigkeit ließ die Reibung also langsamer anwachsen.

Eine genauere Betrachtung der Bewegung des Kinesins zeigte, dass das Molekül ruckweise vorankam, wobei die einzelnen Schritte eine Länge von etwa 8 nm hatten. Durch die Zugkraft wurde eine Bindung des Moleküls mit dem Mikrotubulus so stark angespannt, dass sie schließlich brach und sich die in ihr gespeicherte Energie in ungeordnete molekulare Bewegung und somit in Reibungswärme umwandelte. Anschließend ging das Molekül an der nächsten Bindungsstelle erneut eine Bindung mit dem Mikrotubulus ein. Je schneller das Kinesin vorangezogen wurde, umso leichter konnte es die Energiebarriere überwinden, um den nächsten Schritt zu tun, sodass sich die Reibungskraft geringer ausfiel.

Ausgehend von der auftretenden Reibungskraft bestimmten die Forscher die Effizienz des Biomotors. Es zeigte sich, dass das Kinesin etwa 50 % der im Treibstoff ATP steckenden Energie in nützliche Arbeit umwandeln konnte.

RAINER SCHARF


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