Bionik: Der Krebs, der Plasma kann
Überlegene Erzeugung von Unterwasserplasmen erstmals im Labor nachgestellt.
Es ist eigentlich eine außergewöhnliche Art des Beutefangs: der überwiegend in tropischen Korallenriffen beheimatete Pistolenkrebs erzeugt mit seiner überdimensionierten Schere laute Knallgeräusche. Die daraus entstehende Druckwelle kann kleine Krabben, Würmer oder Krebse betäuben. So werden sie zur leichten Beute für den schlechten Schwimmer, der diese in der Natur einzigartige Taktik auch als Waffe gegen größere Tiere einsetzt.
Das dieser Jagdmethode zugrunde liegende physikalische Phänomen heißt Kavitation. Eine durch schnelle Bewegungen erzeugte Druckerhöhung senkt die Siedetemperatur in Flüssigkeiten – in diesem Fall Wasser – so weit herab, dass Dampfblasen in ihr entstehen. Die Kavitationsblase nimmt aufgrund der größeren räumlichen Ausdehnung der Gasphase mehr Raum ein als die sie verursachende Wassermenge. Kühlt sie ab, kondensiert das Wasser und die Blase fällt abrupt in sich zusammen. Das umliegende Wasser strömt schlagartig in den freigewordenen Raum und löst dabei eine Druckwelle mit hohen Druckspitzen aus, die – wie beim Ultraschallbad gewünscht – Material reinigen, oder – wie in der Schifffahrt gefürchtet – Material beschädigen kann.
Der Pistolenkrebs produziert diese Kavitationsblase, indem er seine Schere kraftvoll und schnell schließt und dadurch einen extrem schnellen Wasserstrahl ausstößt. Dabei schützt die im Laufe der Evolution hervorgegangene Morphologie die Schere selber vor Verletzungen durch Kavitation, indem der Winkel zwischen Ausstoßrichtung des Wassers und Rotationsebene der Stempels von ungefähr 25° beträgt. Die Kavitationsblase bildet sich so in ausreichendem Abstand vor der geschlossenen Schere.
Mit dieser Methode erzeugt der Pistolenkrebs jedoch nicht nur Schall mit einem Pegel von 250 dB – er kann auch Plasma. Der Verdichtungsprozess beim Kavitationsaufbau ist so intensiv, dass Gase innerhalb der Kavitationsblase ausreichend hohe Temperaturen erreichen, um Plasma- und Lichtemissionen hervorzurufen.
Und dabei zeigt sich, dass die Natur Plasma in Flüssigkeiten effizienter erzeugen kann als es vom Menschen entwickelte Geräte können. Unter Verwendung additiver Fertigungsmethoden ist es nun einer Forschergruppe der Texas A & M University gelungen, die Schere eines Pistolenkrebses nachzubauen und den Mechanismus der Schall- und Plasmaerzeugung im Labor nachzustellen.
Computertomographische Aufnahmen der Original-Krebsschere gaben Informationen zum Bau der Schere, die im 3D-Druckverfahren fünffach vergrößert hergestellt wurde. Eine eigens entwickelte Federhalterung gewährleistet, dass die Schere mit entsprechender Kraft und Geschwindigkeit betätigt werden kann, um den gewünschten Hochgeschwindigkeits-Wasserstrahl zu erzeugen, der der Kavitations- und Reynoldszahl des von den Krebsen erzeugten Strahls entspricht. Die mit dieser Vorrichtung erzeugten Lichtemissionen und Druckwellen wurden aufgezeichnet. Im Gegensatz zu lebendigen Pistolenkrebsen, die auf Meerwasserbedingungen angewiesen sind, ermöglicht die künstliche Pistolenkrebsschere Untersuchungen zur Schall- und Plasmaerzeugung in verschiedensten Flüssigkeiten und unter Zugabe von Gasen. Experimente mit Salz- sowie destilliertem Wasser, unter Zugabe von Luft oder Argon zur Erhöhung der Plasmaaktivität wurden bereits durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Schall- und Plasmaerzeugungstechnik der Krebse mit der künstlichen Schere reproduziert wird, aber auch, dass die natürliche Generation des Unterwasserplasmas effizienter ist als die bisher technologisch realisierten Methoden.
So sehen Tang und Stack denn auch noch Entwicklungspotential in ihrer Apparatur, die zukünftig auch für verschiedenste Anwendungen eingesetzt werden soll. So können mit dieser Methode beispielsweise Gesteine zertrümmert werden, was von der Nierensteinentfernung bis hin zu geologischen Borvorgängen eine interessante Verstärkung bestehender Verfahren in Aussicht stellt. Auch bei der plasmagestützten Herstellung von Nanopartikeln aus Lösungen kann das Pistolenkrebs-Verfahren mit der Bereitstellung kleiner Plasmaphasen neue Möglichkeiten eröffnen.
TAMU / LK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
X. Tang and D. Staack: Bioinspired mechanical device generates plasma in water via cavitation, Science Advances 5, (3) eaau7765 (2019); DOI: 10.1126/sciadv.aau7765 - Texas A&M University (TAMU), Department of Mechanical Engineering
- Datensatz zum Nachbau der Pistolenkrebsschere