30.05.2024

Biophysik beeinflusst das Schmecken

Mit der Rasterkraftmikroskopie lässt sich das Mundgefühl von Lebensmitteln bestimmen.

Ein Team um Melanie Köhler und Veronika Somoza vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-System­biologie in Freising hat nun einen neuen Forschungs­ansatz vorgestellt. So lässt sich mittels Rasterkraf­tmikroskopie das Mundgefühl von Lebensmitteln erforschen, um die biophysikalischen Mechanismen besser zu verstehen, die zu Geschmacks­eindrücken beitragen. Neue Erkenntnisse in diesem Bereich könnten die Entwicklung gesundheits­fördernder Produkte vorantreiben, die weniger Salz, Fett, Zucker und Kalorien enthalten, aber trotzdem sensorisch vom Mundgefühl her überzeugen.

Abb.: Melanie Köhler nutzt ein Rasterkraftmikroskop, um das Mundgefühl von...
Abb.: Melanie Köhler nutzt ein Rasterkraftmikroskop, um das Mundgefühl von Lebensmitteln zu erforschen.
Quelle: privat

Das Mundgefühl eines Lebens­mittels spielt eine entscheidende Rolle für dessen Akzeptanz. So bevorzugen viele Menschen bei Quark und Joghurt eine cremige Konsistenz. Äpfel sollten dagegen beim Hineinbeißen saftig und knackig sein und Brotkrusten knusprig. Diese Vielfalt zeigt, dass das optimale Mundgefühl stark von der Lebensmittel­art abhängt und nicht einheitlich definiert ist. Zudem ist das Zusammenspiel von Inhalts­stoffen, Textur und Temperatur eines Lebensmittels mit den verschiedenen Sensor­molekülen und Zelltypen im Mund äußerst komplex. „Insbesondere Mechanorezeptoren, die auf Druck oder Dehnung reagieren, sind im Hinblick auf das optimale Mundgefühl und ihren Beitrag zum sensorischen Gesamt­eindruck eines Lebensmittels noch wenig erforscht“, sagt Melanie Köhler.

Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts ergänzt: „Wir stellen verschiedene experimentelle Ansätze vor, mit denen inter­disziplinär die vielen noch offenen Fragen rund um das Thema Mundgefühl aus bio­physikalischer Sicht angegangen werden können. Wir haben dabei den Fokus auf die biologische Rasterkraft­mikroskopie gelegt.“ Damit lassen sich auch Wechsel­wirkungen zwischen Molekülen wie Lebensmittel­inhaltsstoffen und Rezeptor­proteinen untersuchen. Es kann aber auch dazu dienen, mechanischen Druck auf Zellen auszuüben und auf diese Weise Mechano­rezeptoren zu aktivieren und deren zelluläre Signalantwort zu identi­fizieren und zu charak­terisieren.

Ein grundlegendes bio­physikalisches und funktionelles Verständnis der vielfältigen mechano­sensorischen Hauptakteure im oralen und extraoralen Gewebe und ihrer Reaktionen auf Lebensmittel­inhaltsstoffe ist laut Köhler wichtig. Es ermögliche, neue Hypothesen über den Beitrag von Mechano­sensoren zum sensorischen Gesamt­eindruck eines Lebensmittels aufzustellen und viele der heute im molekularen Bereich noch offenen Fragen zu beantworten.

„Hinsichtlich der Lebensmittel­forschung erwarten wir, dass zukünftige Ergebnisse zu einer Revision unserer traditionellen Definition von flavor, also dem sensorischen Gesamteindruck eines Lebensmittels, führen werden, indem wir die mechanische Wahrnehmung als weiteren Faktor neben Geschmack und Geruch einbeziehen“, erklärt Köhler. „In Bezug auf die Lebensmittel­produktion eröffnet unser wegweisender Forschungs­ansatz vielver­sprechende Perspektiven für die Gestaltung zukünftiger, genussvoller und zugleich gesundheits­bewusster Ernährungs­optionen.“

LSB / JOL

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