Biophysiker bauen „Streckbank“ für Moleküle
Mit Hilfe einer Laserpinzette lassen sich einzelne Moleküle dehnen und strecken – um die Dynamik der Proteinfaltung zu erfassen.
Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben einen wichtigen Schritt getan, um die Abläufe in biologischen Zellen besser zu verstehen. Mit einer am TUM-Lehrstuhl für Biophysik entwickelten Methode können sie ein einzelnes Protein festhalten und auseinanderziehen. Die Streckvorrichtung – eine optische Pinzette für winzige Moleküle – macht die Faltung und Entfaltung von Proteinen kontinuierlich messbar. Bis zu ihrer endgültigen Faltung folgen Protein-Moleküle einer Vielzahl struktureller und kinetischer Pfade, die mitunter in Sackgassen oder auch in Schnellstraßen münden.
Abb.: Mit Hilfe einer Laserpinzette, einem optical tweezer, lassen sich einzelne Moleküle dehnen und strecken. (Bild: J. Stigler, TUM)
Wie die Proteine in ihre dreidimensionale Form gelangen, ist eine der wichtigsten Fragen der Biowissenschaften und der Medizin. Denn Fehler im Faltungsprozess von Proteinen sind für Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson verantwortlich. Die Funktionen und auch die Fehlfunktionen von Proteinen werden größtenteils durch ihre Struktur bestimmt. Wissenschaftler der TU München verfolgen deshalb seit Jahren verschiedene Ansätze, die Faltungsprozesse besser zu verstehen. In ihren neuesten Experimenten untersuchen sie das Calmodulin-Molekül. Es gehört zu den häufigsten Eiweißen im menschlichen Organismus und fungiert als wichtiger Signalgeber für Zellabläufe. Während Röntgenstrukturen „Schnappschüsse“ von der Faltung einzelner Moleküle sind, erzeugt der neuartige Ansatz von Matthias Rief und seinen Kollegen nun bewegte Bilder. Zwar sind diese Aufnahmen verschwommen, weil sie nur die Länge der Moleküle erfassen. Sie ermöglichen es aber, die Dynamik des Faltungsprozesses in einer neuen Genauigkeit zu untersuchen.
Bevor sie das Calmodulin-Molekül strecken können, müssen es die Forscher einspannen. Dazu bringen sie es zwischen zwei robustere Molekülen des Proteins Ubiquitin ein. Rückstände der Aminosäure Cystein an den äußeren Enden dieses Molekül-Sandwiches ermöglichen die Verknüpfung mit Griffen aus DNA-Molekülen. Diese Griffe wiederum sind mit kleinen Glasperlen verbunden, die nur einen Mikrometer messen. Die Glasperlen – und mit ihnen das Calmodulin-Molekül – lassen sich dann mithilfe der optischen Pinzette auseinander ziehen. Mit dieser Versuchsanordnung konnten die Wissenschaftler das Protein in unterschiedliche Richtungen bis zu seiner vollen Länge dehnen und es mit nachlassender Spannung jeweils wieder in den Ausgangszustand versetzen. Gemessen wurden die Proteinlänge, die angelegten mechanischen Kräfte und die Dauer des Prozesses.
Die Versuchsergebnisse machen nun deutlich, dass die Faltungsprozesse von verschiedenen Teilbereichen des Calmodulin-Moleküls zwar eigenständig ablaufen, sich aber dennoch gegenseitig fördern oder blockieren können. Die Faltung eines Calmodulin-Moleküls lässt sich mit einem komplizierten Geflecht von Pfaden vergleichen. Sie leiten Teile des Proteins durch unterschiedliche energetische Zustände wie durch Berge und Täler, so die Forscher. Und während ein Faltungspfad in eine Sackgasse führt, mündet ein anderer womöglich in eine Schnellstraße. Über diese erreichen bestimmte Molekülteile dann ihre endgültige Faltung sehr viel schneller als das Gesamtmolkül selbst.
TUM / OD
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Prof. Matthias Rief
Lehrstuhl für Biophysik
Technische Universität München
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