02.12.2016

Bismut gibt den Widerstand auf

Bei extrem tiefen Temperaturen geht auch das ladungsträgerarme Bismut in einen supraleitenden Zustand über.

Bismut ist ein in vielerlei Hinsicht außer­gewöhnliches Element. Lange Zeit hielt man es für das schwerste stabile Element. Wie sich erst in den letzten Jahren heraus­stellte, hat das Isotop Bismut-209, aus dem natür­liches Bismut praktisch aus­schließlich besteht, jedoch eine Halbwerts­zeit von knapp 2 × 1019 Jahren. Den Ehrenplatz als schwerstes stabiles Isotop nimmt seitdem Blei-208 ein. Aber auch in anderer Hinsicht ist Bismut für Überraschungen gut: Bereits seit mehr als einem halben Jahr­hundert suchen Wissen­schaftler nach Hinweisen, ob Bismut bei tiefen Temperaturen supra­leitend wird. Bislang sträubte es sich jedoch gegen all diese Versuche.

Abb.: Der Bismut-Einkristall wird über einen Stab aus Silber an eine kalte Kupferplatte gekoppelt. (Bild: O. Prakash et al. / Science)

Forschern des Tata Institute of Funda­mental Research im indischen Mumbai ist genau dieser Nachweis nun gelungen. Vermutet wurde es zwar schon lange, denn viele andere elementare Metalle wie Aluminium, Niob oder das im Perioden­system benachbarte Blei werden bei Tempe­raturen von einigen Kelvin supra­leitend. Von Bismut war bislang nur bekannt, dass es bis hinunter zu rund zehn Millikelvin seine normale Leit­fähigkeit behält – eine Tempe­ratur, bei der beispiels­weise bei Wolfram die Sprung­temperatur zur Supraleit­fähigkeit liegt.

Bismut besitzt nun eine ganze Reihe besonderer Eigen­schaften, die es für die Festkörper­forschung interessant machen. So hat es nicht nur eine rhomboe­drische Kristall­struktur, sondern auch eine niedrige Fermi-Energie, die mit einer hohen mittleren elektronischen Weglänge einhergeht. Normaler­weise wird diese Weglänge durch Wechsel­wirkungen mit den Gitter­schwingungen begrenzt. Bei Bismut sorgen jedoch Erhaltungs­sätze dafür, dass langsame Elektronen nur mit den lang­welligsten Gitter­schwingungen in Wechsel­wirkung treten, so dass die mittlere freie Weglänge bei 300 Kelvin rund zwei Mikro­meter beträgt.

Bei tiefen Temperaturen, wenn die Gitter­schwingungen keine große Rolle mehr spielen, wird die mittlere freie Weglänge der Elektronen üblicher­weise haupt­sächlich durch Streuung an Defekten bestimmt. Bismut spielt auch hier eine Sonder­rolle: Aufgrund seiner großen Fermi-Wellen­länge von 10 bis 50 Nanometern streuen die Ladungs­träger nicht an Punkt­defekten oder atomaren Verun­reinigungen. Statt­dessen sind hier Versetzungen im Kristall­gitter der begrenzende Faktor. Zudem hat Bismut eine extrem geringe Ladungs­träger­dichte: Auf rund 100.000 Atome kommt nur ein einziges Elektron-Loch-Paar. Einige dieser Eigen­schaften sprechen nun für eine Supraleit­fähigkeit. Insbe­sondere die geringe Ladungs­träger­dichte macht Bismut aber zu einem unwahr­scheinlichen Kandi­daten für Supra­leitung.

Die Wissen­schaftler aus Mumbai hatten außerdem mit einigen experi­mentellen Schwierig­keiten zu kämpfen. So besitzen Materialien, die erst bei sehr tiefen Tempe­raturen supraleitend werden, auch eine sehr geringe kritische magne­tische Feld­stärken, bei denen die Supraleitung wieder zusammen­bricht. Um also zu verhindern, dass externe Magnet­felder eine mögliche Sprung­temperatur noch weiter nach unten drücken, mussten die Forscher ihren Versuchs­aufbau unter anderem mit Magnetschilden aus supra­leitendem Blei abschirmen. Noch dazu können atomare Verun­reinigungen im Bismut zu uner­wünschten magne­tischen Effekten führen und ebenfalls die Supra­leitung erschweren. Der zu unter­suchenden Bismut-Kristall musste also extrem rein sein.

Die Bismut-Kristalle züchteten die Forscher mit gängigen Verfahren. Hierzu packten sie hochreine Bismut­barren unter Argon-Schutzgas in Röhrchen aus Quarzglas. Diese erhitzten sie langsam auf 600 Grad Celsius und schmolzen das Bismut bei dieser Temperatur über zwölf Stunden. Langsame Abkühlung über mehrere Stunden und an­schließendes Schneiden ergab schließlich hoch­reine Bismut-Einkristalle mit zwei Milli­metern Dicke und einer Länge von zwei Zenti­metern. Wie Messungen anhand von Laue-Beugung ergaben, besaß der gesamte Kristall eine durch­gängige Ordnung.

Abb.: Der Abfall der Suszeptibilität bei beiden Materialproben s1 und s2 erfolgt bei der Sprungtemperatur von 0,53 Millikelvin. (Bild: O. Prakash et al. / Science)

Die Sprung­temperatur maßen die Forscher anhand von Magne­tisierungs­messungen mit Hilfe eines Gleich­strom-Squids aus. Unterhalb von 0,53 Millikelvin zeigte sich plötzlich Supra­leitung. Damit ist Bismut nun nicht nur einer der beiden Supra­leiter mit der geringsten bekannten Ladungsträgerdichte, sondern auch einer, der sich einer theo­retischen Erklä­rungen noch widersetzt. Denn wie bei diesem an Über­raschungen und Heraus­forderungen reichen Element kaum anders zu erwarten, ist bislang nicht geklärt, auf welche Weise seine Supra­leit­fähigkeit überhaupt zustande kommt.

Die gängige Bardeen-Cooper-Schrieffer-Theorie zur Supra­leitung von Metallen scheint nicht so recht zu Bismut zu passen und liefert um Größen­ordnungen niedrigere Werte als die nun gemessenen. Die an Tälern reiche Band­struktur von Bismut macht eine Anwendung dieser Theorie anscheinend unmöglich. Wie die Wissen­schaftler aus Mumbai betonen, werden weitere theo­retische Arbeiten erfor­derlich sein, um die Supra­leitfähig­keit dieses ungewöhn­lichen Metalls zu erklären.

Dirk Eidemüller

JOL

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