Blasenwerfende Supernova
Struktur des Supernova-Überrests Cassiopeia A erlaubt Rückschlüsse auf den Verlauf der Sternexplosion.
Sterne mit einer Anfangsmasse von mehr als acht Sonnenmassen enden als Kernkollaps-Supernova: Ihr Kernbereich kollabiert zu einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch, die dadurch ausgelöste nach außen laufende Stoßwelle zerreißt den Stern. Unter exakt sphärisch-symmetrischen Bedingungen ist die Stoßwelle allerdings zu schwach, um die einfallenden Außenschichten des Sterns zu durchdringen, wie Computersimulationen zeigen. Die Explosion muss also asymmetrisch verlaufen, wobei dynamische Instabilitäten und Einflüsse der Rotation und des Magnetfelds für die nötige Asymmetrie sorgen könnten.
Abb.: Die farbliche Kodierung zeigt links das Gas im Supernova-Überrest Cassiopeia A, das sich auf uns zu, und rechts das Gas, das sich von uns weg bewegt. Aus der Bewegung können die Forscher die räumliche Struktur ableiten. (Bild: D. Milisavljevic, R. Fesen / AAAS)
Die Asymmetrie der Explosion sollte sich in der dreidimensionalen Struktur eines Supernova-Überrests widerspiegeln. Dan Milisavljevic vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Robert Fesen vom Dartmouth College in Hanover haben deshalb die Struktur des Supernova-Überrests Cassiopeia A genau untersucht. Mit einer Entfernung von 11.000 Lichtjahren, einem Alter von 340 Jahren und einem bekannten Status als Kernkollaps-Supernova sei, so das Forscher-Duo, Cassiopeia A „eines der am besten geeigneten Objekte für eine solche Obduktion“.
Milisavljevic und Fesen nutzten für ihre Analyse zweidimensionale nah-infrarote Spektren vom Hubble Space Telescope sowie dem Mayall-Teleskop des Kitt Peak National Observatory. Über den Dopplereffekt ermittelten die beiden Forscher daraus die Bewegung des Gases in der Explosionswolke und rekonstruierten schließlich damit die dreidimensionale Struktur des Supernova-Überrests. Dabei zeigte sich, dass die sichtbaren ringförmigen Strukturen von Cassiopeia A tatsächlich Projektionen großer Blasen in der Gaswolke sind. Die Forscher sehen darin ein starkes Indiz dafür, dass die Explosion tatsächlich nicht symmetrisch, sondern in mehreren asymmetrischen Etappen verlaufen ist.
Abb.: Der Supernova-Überrest Cassiopeia A. Das Bild ist eine Überlagerung einer optischen Aufnahme (Hubble Space Telescope), einer Infrarot-Aufnahme (Spitzer Space Telescope) und eines Röntgenbildes (Chandra X-ray Observatory; Bild: Nasa)
Als Ursache der Asymmetrie nehmen die beiden Forscher eine turbulente Durchmischung im Inneren des kollabierenden Sterns an. „Wenn diese Durchmischung stark genug ist, kann sie zur Bildung von blasenförmigen Instabilitäten führen, die wiederum die Ausbreitung der Explosion beeinflussen“, so Milisavljevic und Fesen. Das Szenario der beiden Forscher sagt voraus, dass sich im Inneren der Blasen ein besonders hoher Anteil des Eisen-Isotops 56 befindet. Dabei handelt es sich um das Endprodukt der normalen Kernfusion im Inneren eines Sterns. Ein Nachweis dieses Eisens sei jedoch erst mit der nächsten Generation von Infrarot- und Röntgenteleskopen möglich.
Rainer Kayser
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