07.07.2020

Blick in das Innere eines Planeten

Der freigelegte Kern von Exoplanet TOI 849 b hat die gleiche Größe wie Neptun.

Der neu entdeckte Exoplanet TOI 849 b bietet die einzigartige Gelegenheit, in das Innere eines Planeten zu blicken und etwas über seine Zusammen­setzung zu erfahren. Er kreist um einen etwa 730 Lichtjahre entfernten Stern, der unserer Sonne sehr ähnlich ist. Der freigelegte Kern hat die gleiche Größe wie Neptun in unserem Sonnensystem. Die Forscher nehmen an, dass es sich um einen Gasriesen handelt, der entweder seiner Gas­atmosphäre beraubt wurde oder wegen eines außer­gewöhnlichen Vorkommnis keine massive Gas­atmosphäre bilden konnte wie normalerweise. Die Studie entstand unter der Leitung von David Armstrong von der University of Warwick; Christoph Mordasini vom Physikalischen Institut der Universität Bern war federführend an der theoretischen Interpretation der Entdeckung beteiligt.

Abb.: Diese künst­lerische Darstellung zeigt einen neptun­großen Planeten...
Abb.: Diese künst­lerische Darstellung zeigt einen neptun­großen Planeten in der Neptunwüste. Es ist äußerst selten, ein Objekt von dieser Größe und Dichte so nahe an seinem Stern zu finden. (Bild: M. Garlick, U. Warwick)

Bei TOI 849 b handelt sich um einen äußerst ungewöhnlichen Planeten in der Neptunwüste – ein in der Astronomie verwendeter Begriff für eine Region in der Nähe von Sternen, in der der es selten Planeten mit der Masse von Neptun gibt. David Armstrong sagt: „Der Planet befindet sich seltsam nah an seinem Stern, wenn man seine Masse betrachtet. Anders gesagt: es sind keine Planeten mit dieser Masse bekannt, die eine so kurze Umlaufzeit um ihren Stern haben.“ TOI 849 b kreist so nahe an seinem Wirtsstern, dass ein Jahr nur 18 Stunden dauert und seine Oberflächen­temperatur etwa 1500 Grad Celsius beträgt.

Christoph Mordasini erklärt: „Wir haben die Masse und den Radius des Planeten bestimmt. TOI-849b ist etwa vierzigmal so schwer wie die Erde, sein Radius beträgt aber nur 3,4 Erdradien.“ Der Planet habe also eine hohe Dichte und müsse somit primär aus Eisen, Gestein und Wasser bestehen, aber aus nur sehr wenig Wasserstoff und Helium. „Für einen so masse­reichen Planeten ist eine so hohe Dichte, respektive ein so kleiner Anteil an Wasserstoff und Helium sehr erstaunlich. Bei einer solchen Masse würde man nämlich erwarten, dass der Planet während seiner Entstehung in der proto­planetaren Scheibe viel Wasserstoff und Helium angezogen hat.“ David Armstrong ergänzt: „Die Tatsache, dass diese Gase nicht vorhanden sind, lässt darauf schließen, dass es sich bei TOI 849 b um einen exponierten Planeten­kern handelt.“ Es ist das erste Mal, dass ein intakter, freiliegender Kern eines Gasriesen um einen Stern entdeckt wurde.

An der Universität Bern wird seit 2003 das Berner Modell der Entstehung und Entwicklung von Planeten laufend weiter­entwickelt. „Wir kombinieren in unserem Modell Erkenntnisse zu den vielfältigen Prozessen, die bei der Entstehung und der Entwicklung von Planeten ablaufen“, sagt Mordasini. Dank dem weltweit renommierten Berner Modell können Entdeckungen wie die des Exoplaneten TOI 849 b theoretisch interpretiert werden.

Auf Basis des Modells können zwei Theorien formuliert werden, die erklären, warum es sich bei TOI 849 b nicht um einen typischen Gasriesen handle, sondern um einen frei­liegenden Planeten­kern. „Die erste ist, dass der Exoplanet einst dem Jupiter ähnlich war, aber durch verschiedene Einflüsse fast das gesamte äußere Gas verloren hat“, so Mordasini. Dies könnte aufgrund von Gezeiten passiert sein, bei denen die Hülle des Planeten auseinander­gerissen wird, weil der Planet extrem nahe an seinem Stern kreist, oder sogar wegen einer Kollision mit einem anderen Planeten. Die groß­flächige Verdampfung der Atmosphäre könnte ebenfalls eine Rolle spielen, kann aber nicht alleine für das gesamte verlorene Gas verant­wortlich gemacht werden.

Alternativ könnte es sich bei TOI 849 b um einen geschei­terten Gasriesen handeln. „Nachdem sich der Kern einmal gebildet hatte, könnte etwas gänzlich anders gelaufen sein als normalerweise, und der Kern hat nie eine massive Atmosphäre gebildet wie sonst. Dies hätte geschehen können, wenn sich in der proto­planetaren Scheibe, aus der sich der Planet bildete, eine Lücke im Gas gebildet hätte wegen der gravi­tativen Interaktion mit dem Planeten, oder wenn das Material in der Scheibe gerade zu dem Zeitpunkt ausgegangen wäre, wo normalerweise die Gas­akkretion folgt“, so Mordasini. David Armstrong sagt: „Unsere Entdeckung beweist, dass solche Planeten existieren und wir sie aufspüren können. Wir haben nun die Möglich­keit, den Kern eines Planeten auf eine Weise zu betrachten, die wir in unserem eigenen Sonnensystem nicht tun können.“

U. Bern / JOL

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