Blick in das Innere eines weißen Zwergs
Asteroseismologie liefert überraschende Ergebnisse.
Die meisten Sterne im Universum enden als weiße Zwerge – kompakte Objekte kaum größer als die Erde, die langsam abkühlen. In der Kosmologie spielen weiße Zwerge eine wichtige Rolle: Die Verschmelzung von zwei weißen Zwergen führt zu einer Supernova des Typs Ia, und diese Explosionen dienen den Forschern als Standardkerzen bei der Vermessung des Kosmos. Gleichwohl ist über ihren inneren Aufbau recht wenig bekannt. Sie bestehen aus einem Kern aus heißer entarteter Materie extrem hoher Dichte, umgeben von einer dünnen, leuchtenden Photosphäre. Aber wie groß ist der zentrale homogene Kern und wie hoch der Anteil einzelner Elemente in diesem Kern? Auf diese Fragen liefern numerische Modelle der Sternentwicklung bislang nur ungenaue Antworten.
Abb.: Künstlerische Darstellung eines weißen Zwergsterns mit Magnetfeld. (Bild: L. Calçada, ESO)
Noemi Giammichele von der Universität Toulouse und ihren Kollegen ist es jetzt gelungen, einen Blick in das Innere eines weißen Zwergs zu werfen. Ähnlich wie bei der irdischen Seismologie die Analyse von Erdbebenwellen Rückschlüsse auf den inneren Aufbau der Erde erlaubt, können Astronomen aus der Untersuchung von Schwingungsmoden von Sternen Erkenntnisse über deren innere Struktur gewinnen. Der große Vorteil: Die Asteroseismologie liefert Ergebnisse, die völlig unabhängig von den Modellen der Sternentwicklung sind.
Das Team griff auf Archivdaten des Weltraumteleskops Kepler zurück, das von 2009 bis 2013 die Helligkeit von 150.000 Sternen überwacht hatte. Hauptziel der Mission war zwar die Entdeckung von Planeten bei anderen Sternen, das Weltraumteleskop lieferte zugleich aber auch wertvolle Daten über viele veränderliche Sterne. So auch über den pulsierenden weißen Zwerg KIC 08626021. In den von Kepler gesammelten Daten, die einen Zeitraum von insgesamt 23 Monaten überdecken, konnten Giammichele und ihre Kollegen acht individuelle Schwingungsmoden mit Perioden im Bereich von 143 bis 376 Sekunden nachweisen.
Diese fütterten die Forscher in ein parametrisches – also von der Sternentwicklung unabhängiges – Modell des inneren Aufbaus des weißen Zwergs. Für den zentralen homogenen Kern liefert der beste Fit an die Daten eine Masse von 0,45 Sonnenmassen mit einem Sauerstoffanteil von 86 Prozent. Damit ist der Kern des weißen Zwergs 40 Prozent größer und enthält 15 Prozent mehr Sauerstoff als es die besten Modelle der Sternentwicklung vorhersagen. Das sei nicht nur eine Herausforderung für die Theorie der Sternentwicklung, sondern könne Konsequenzen für die Vermessung des Kosmos mithilfe von Supernovae haben, betonen die Wissenschaftler. Denn mehr Sauerstoff im Kern eines weißen Zwergs bedeutet zugleich weniger Kohlenstoff und damit im Falle einer Explosion als Supernova eine signifikant geringere Produktion des Isotops Nickel-56. Das wiederum beeinflusst direkt die Lichtkurve einer Supernova des Typs Ia, die durch den Zerfall von Nickel-56 angetrieben wird.
Rainer Kayser
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