14.09.2006

Blick in die Kinderstube der Galaxien

Einem japanischem Team gelang die Messung eines neuen Entfernungsrekords einer Galaxie. Doch wann genau entstanden die ersten Galaxien?


Den Astronomen scheint endlich ein Blick in jene Phase des Kosmos gelungen zu sein, in der die ersten Galaxien entstanden sind. Darauf deuten zwei Forschungsarbeiten hin, die in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Nature" erschienen sind. Dort berichtet ein japanisches Forscherteam über einen neuen Entfernungsrekord: 12,7 Milliarden Lichtjahre ist eine von ihnen entdeckte Galaxie von uns entfernt. In der zweiten Arbeit berichten zwei amerikanische Astronomen von ihrer Suche nach noch weiter entfernten Galaxien. Beide Teams haben erwartet, in den untersuchten Entfernungen deutlich mehr Galaxien zu finden. Die geringe Zahl der Galaxien sehen sie als Zeichen dafür, dass 400 bis 900 Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Galaxien entstanden sind.

"Die Anzahl der Galaxien bei einer Rotverschiebung von etwa 7 entspricht nur 18 bis 36 Prozent des Wertes bei einer Rotverschiebung von 6,6", schreiben die Forscher um Masanori Iye vom National Astronomical Observatory in Tokio. "Sehr helle Galaxien sind 700 Millionen Jahre nach dem Urknall sehr selten", ergänzen Rychard Bouwens und Garth Illingworth vom Lick Observatory der University of California, "die einfachste Erklärung dafür ist, dass das Universum bei Rotverschiebungen von 7 bis 8 noch zu jung war, um leuchtkräftige Galaxien aus der hierarchischen Verschmelzung kleinerer Galaxien gebildet zu haben."

Abb.: Ferne Galaxien sind schwer zu sehen: 20 Bogensekunden mal 20 Bogensekunden große Bilder, aufgenommen mit sechs verschiedenen Farbfiltern. Die obere Reihe zeigt die neue Rekord-Galaxie mit einer Rotverschiebung von 6,96, die untere Reihe ein weiteres Objekt, dessen Rotverschiebung noch nicht bestimmt werden konnte. (Quelle: Iye et al./Nature)


Je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist, desto stärker ist ihr Licht durch die Expansion des Alls rotverschoben. Eine Rotverschiebung z bedeutet dabei, dass die Wellenlänge um 1+z gestreckt wurde. Um eben diesen Faktor hat sich in der Zeit zwischen der Aussendung des Lichts und seinem Empfang auf der Erde auch das Universum ausgedehnt. Die Rotverschiebung ist deshalb für die Astronomen sowohl Entfernungs- als auch Zeitmaß: Eine Rotverschiebung von 6,96 wie bei der jetzt von Iye und Kollegen entdeckten Galaxie entspricht einer Entfernung von 12,7 Milliarden Lichtjahren. Und das bedeutet zugleich, dass wir bei z=6,96 den Kosmos so sehen, wie er vor 12,7 Milliarden Jahren, bei Aussendung der jetzt empfangenen Strahlung, war. So sind Teleskope gleichsam Zeitmaschinen - sie erlauben den Blick in die Frühzeit des Kosmos. Eine der spannendsten Fragen der astronomischen Forschung ist dabei: Wann - und wie - sind die ersten Sterne und Galaxien entstanden?

Mit immer größeren Teleskopen und immer besseren Detektoren ist es den Astronomen in den vergangenen Jahren gelungen, immer weiter entfernte und damit auch lichtschwächere Galaxien aufzuspüren. 1996 lag der Rekord noch bei einer Rotverschiebung von 4,55, 2002 bei 6,56 - und jetzt bei 6,96. Iye und seine Kollegen hatten erwartet, bei der von ihnen untersuchten Rotverschiebung etwa fünf Galaxien zu finden - doch sie entdeckten nur eine einzige. Bouwens und Illingworth hatten im Bereich von z=7 bis z=8 zehn Galaxien erwartet, stießen aber ebenfalls nur auf ein einziges Objekt, dessen exakte Entfernung aber noch durch weitere Messungen bestätigt werden muss.    

Es scheint also in dieser Entfernung und damit in der entsprechenden zeitlichen Epoche unseres Kosmos, 700 bis 900 Millionen Jahre nach dem Urknall, deutlich weniger Galaxien gegeben zu haben als heute. Andererseits zeigt die Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung mit dem amerikanischen Satelliten WMAP, dass die ersten Sterne im Universum schon rund 400 Millionen Jahre nach dem Urknall aufleuchteten. Die Entstehung der Galaxien scheint also, so schließen die Forscher, in der 400 bis 900 Millionen Jahre nach dem Urknall liegenden Ära abgelaufen zu sein.


Rainer Kayser

Weitere Infos:

Originalarbeiten: 

  • "A galaxy at a redshift of z=6,96", M. Iye et al., Nature 443, 186 (2006)
  • "Rapid evolution of the most luminous galaxies during the first 900 million years", R. J. Bouwens und G.D.Illingworth, Nature 443, 189 (2006)

Weitere Literatur: 

  • "Detection of Lyman α emitting galaxies at redshift z = 4.55", E. M. Hu und R. G. McMahon,  Nature 382, 231 (1996)
     
  • "A Redshift z=6.56 Galaxy behind the Cluster Abell 370", E. M. Hu et al, Astrophys. Journal 568, L75 (2002)
     
  • "Three year Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) observations: polarization analysis", L. Page et al., Astrophys. J. (submitted); Preprint: http://www.arXiv.org/astro-ph/0603450 (2006)
     
  • "Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP) three year results: implications for cosmology", D. Spergel et al. Astrophys. J. (submitted); Preprint: http://www.arXiv.org/astro-ph/0603449 (2006).

  

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