Blick ins Klima-Archiv
Forscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) untersuchen das «einzige Klima-Archiv der Erde» - Eisproben aus Arktis und Antarktis.
Blick ins Klima-Archiv
Potsdam/Bremerhaven (dpa) - Die Ozeane steigen und verschlingen ganze Inselgruppen. Vormals fruchtbare Regionen versteppen, während es anderswo immer häufiger zu Überschwemmungen kommt. Solche Horrorszenarien des Klimawandels lassen die Forscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) vorerst noch relativ kalt: Sie untersuchen Eis aus der Arktis und Antarktis - das «einzige Klima-Archiv der Erde», wie Fernando Valero-Delgado erläutert. Der aus Ecuador stammende Experte begutachtet bei fast minus 30 Grad eine Bohrprobe im Kühlraum des AWI in Bremerhaven, die mit ihren rund 14.000 Jahren Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten zulässt.
Ein dunkler Streifen in der Eissäule weist auf Asche und damit einen früheren Vulkanausbruch hin; bestimmte Isotope (Atomkerne) wiederum sind ein Beleg für nukleare Explosionen wie den Reaktorunfall von Tschernobyl. In diesem Fall stammt der Bohrkern von der 2001 errichteten Konen-Station in der Antarktis. «Noch ist es für Schlussfolgerungen zu früh», sagt Bernhard Diekmann mit Blick auf den Klimawandel. Der Geologe ist einer von etwa 80 Mitarbeitern der AWI-Forschungsstelle Potsdam, die eng mit Bremerhaven kooperiert. «Wir können von unseren Ergebnissen her nicht dramatisieren», stellt der Wissenschaftler fest.
Es fehlten schlichtweg Daten, um sagen zu können, «dass es schlimmer wird». Auch in der Vergangenheit habe es große Klimaschwankungen gegeben. So sei die Arktis im Holozän, also nach der jüngsten Eiszeit, bis auf wenige Ausnahmen eisfrei gewesen, sagt der Potsdamer Geophysiker Diedrich Fritzsche. Und während der vergangenen 10.000 Jahre habe es - global - teilweise weniger Eis als heute gegeben. Fritzsche hat schon zu DDR-Zeiten für das ehemalige Zentralinstitut für die Physik der Erde auf dem Potsdamer Telegrafenberg gearbeitet, das 1992 im AWI aufging.
Entsprechend dem Potsdamer Forschungsschwerpunkt hat sich Diekmann auf Gebiete am Rand der von Eis bedeckten Nordpolarregionen spezialisiert und sich intensiv mit Eiskeilen in den Permafrostböden Sibiriens beschäftigt. Diese Gebilde sind in Bodenrissen entstanden, wobei die ältesten Schichten außen und die jüngsten innen liegen. Außer Samen und Pollen enthalten sie auch schon mal einen Mammutknochen. Eiskeile dienen der Rekonstruktion von Klimaphasen, sagen aber gleichzeitig auch etwas über Umweltwandel und Landschaftsentwicklung aus. Beispielsweise habe die Erde vor rund 6000 Jahren eine Warmphase durchgemacht, erzählt der Geologe.
Im Lena-Delta Jakutiens messen die Forscher außerdem, wie viel Methan und Kohlendioxid der Tundraboden beim Tauen freisetzt und ob dies zum Treibhauseffekt beiträgt. In diesem Sommer reist Diekmann auf die russische Halbinsel Kamtschatka, um dort Seeschlämme zu entnehmen. Sie enthalten Pollen, über die sich die Entwicklung der Pflanzenwelt zurückverfolgen lässt.
Ronald Bahlburg, dpa
Weitere Infos:
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Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven:
http://www.awi.de