12.06.2017

Blick unter den Gletscher

Myonen durchdringen Gesteine und Eis am Eigergletscher.

Wie sieht es wohl unter einem Gletscher aus? Fällt der Fels steil oder flach ab, ist er abge­schliffen und glatt oder fließt das Eis auf Schutt und Geröll? Diese Fragen konnten nun von einem inter­diszipli­nären Team der Institute für Geologie und Physik der Uni­versität Bern im Rahmen eines vom Schwei­zerischen National­fonds geför­derten Projektes beantwortet werden. Den Forschern gelang es erstmals, beim Jung­fraujoch unter den Gletscher zu schauen und die Basis des Jungfrau­firns bis in eine Tiefe von 80 Metern in drei Dimen­sionen abzu­bilden.

Abb.: Myonen dringen durch Fels und Eis und werden auf Detektoren im Jungfraubahntunnel registriert. (Bild: swisstopo)

„Der Jung­fraufirn ist ein ideales Vermessungs­objekt“, sagt Fritz Schlu­negger vom Institut der Geologie der Uni­versität Bern. Da quer unter dem Eiger­gletscher der Tunnel der Jungfrau­bahnen verläuft, konnten entlang des Tunnels Detek­toren instal­liert werden, welche Myonen einfangen. Dank der Myonen-Tomo­graphie, lässt sich ein Abbild der Gletscher­geometrie erstellen. Dies erlaubt auch Rück­schlüsse auf die Erosions­mechanismen steiler Gletscher. Die Ergeb­nisse zeigen, dass die Fels­kuppe der Sphinx auf dem Jung­fraujoch steil unter das Eis abtaucht. Weil dort der Gletscher parallel zur Felsfläche fließt, muss die steile Fels­flanke durch Seiten­erosion des Gletschers entstanden sein. „Damit konnte man zum ersten Mal bei einem aktiven Gletscher zeigen, wie das Eis an seiner Seite den Fels ab­schmirgelt“, sagt Schlu­negger.

Für das Experiment stellten die Jungfrau­bahnen den Forschern mehrere Nischen im Bahn­tunnel zur Verfügung. Dabei wurden Detek­toren entlang der Tunnel­strecke instal­liert und mit Filmen bestückt, welche mit einem Silber­bromidgel beschichtet sind. Die Detek­toren waren gegen die Basis des Jungfrau­firns hin ausgerichtet. Auf den Filmen werden Myonen als mikro­skopisch kleine Punkte abgebildet, nachdem sie die Eis-Fels-Kontakt­fläche durch­drungen haben und auf dem Silber­bromidgel auftreffen. Die mikro­skopisch feinen Spuren im Film werden mit dem Mikroskop vermessen und mit komplexen nume­rischen Algo­rithmen auf die Gletscher­geometrie zurück­gerechnet. So konnte unter anderem gezeigt werden, dass der Gletscher durch seit­liche Erosion die markant heraus­ragende Felsflanke der Sphinx heraus­bildete, die heute den spekta­kulären Blick in die Gletscher­welt freigibt.

U Bern / JOL

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