Blick unter den Gletscher
Myonen durchdringen Gesteine und Eis am Eigergletscher.
Wie sieht es wohl unter einem Gletscher aus? Fällt der Fels steil oder flach ab, ist er abgeschliffen und glatt oder fließt das Eis auf Schutt und Geröll? Diese Fragen konnten nun von einem interdisziplinären Team der Institute für Geologie und Physik der Universität Bern im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projektes beantwortet werden. Den Forschern gelang es erstmals, beim Jungfraujoch unter den Gletscher zu schauen und die Basis des Jungfraufirns bis in eine Tiefe von 80 Metern in drei Dimensionen abzubilden.
Abb.: Myonen dringen durch Fels und Eis und werden auf Detektoren im Jungfraubahntunnel registriert. (Bild: swisstopo)
„Der Jungfraufirn ist ein ideales Vermessungsobjekt“, sagt Fritz Schlunegger vom Institut der Geologie der Universität Bern. Da quer unter dem Eigergletscher der Tunnel der Jungfraubahnen verläuft, konnten entlang des Tunnels Detektoren installiert werden, welche Myonen einfangen. Dank der Myonen-Tomographie, lässt sich ein Abbild der Gletschergeometrie erstellen. Dies erlaubt auch Rückschlüsse auf die Erosionsmechanismen steiler Gletscher. Die Ergebnisse zeigen, dass die Felskuppe der Sphinx auf dem Jungfraujoch steil unter das Eis abtaucht. Weil dort der Gletscher parallel zur Felsfläche fließt, muss die steile Felsflanke durch Seitenerosion des Gletschers entstanden sein. „Damit konnte man zum ersten Mal bei einem aktiven Gletscher zeigen, wie das Eis an seiner Seite den Fels abschmirgelt“, sagt Schlunegger.
Für das Experiment stellten die Jungfraubahnen den Forschern mehrere Nischen im Bahntunnel zur Verfügung. Dabei wurden Detektoren entlang der Tunnelstrecke installiert und mit Filmen bestückt, welche mit einem Silberbromidgel beschichtet sind. Die Detektoren waren gegen die Basis des Jungfraufirns hin ausgerichtet. Auf den Filmen werden Myonen als mikroskopisch kleine Punkte abgebildet, nachdem sie die Eis-Fels-Kontaktfläche durchdrungen haben und auf dem Silberbromidgel auftreffen. Die mikroskopisch feinen Spuren im Film werden mit dem Mikroskop vermessen und mit komplexen numerischen Algorithmen auf die Gletschergeometrie zurückgerechnet. So konnte unter anderem gezeigt werden, dass der Gletscher durch seitliche Erosion die markant herausragende Felsflanke der Sphinx herausbildete, die heute den spektakulären Blick in die Gletscherwelt freigibt.
U Bern / JOL