Blitzschnelle Bewegung in benachbarten Molekülen
Ultraschneller Röntgenfilm der Dynamik von Elektronen in Metallkomplexen eines Kristalls „gedreht“.
Mittels Femtosekunden-Röntgenbeugung konnten Forscher des Max-Born-Instituts (MBI) in Berlin und der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne erstmals eine extrem schnelle, kollektive Verschiebung von Elektronen zwischen etwa hundert Molekülionen beobachten. Dazu hatten sie ein einzelnes Elektron in einem Kristall aus Übergangsmetallkomplexen angeregt.
Abb.: Kugel- und Stäbchenmodell des Übergangsmetallkomplexes Eisen(II)-tris-Bipyridin [Fe(bpy)3]2+. Eisenatome (Fe) sind braune, Stickstoff (N) blaue, Kohlenstoff (C) graue und Wasserstoff (H) weiße Kugeln. (Bild: MBI)
In der Photochemie und molekularen Photovoltaik sind sogenannte Übergangsmetallkomplexe ein weitverbreitetes System. Es besteht aus einem zentralen Metallion, an das eine Gruppe von meist organischen Liganden gebunden ist. Diese Materialen zeigen eine starke Absorption von sichtbarem oder ultraviolettem Licht – eine attraktive Eigenschaft für Anwendungen als primäre Lichtabsorber in molekularen Solarzellen oder in der molekularen Optoelektronik. Nach der Absorption von Licht beobachtet man eine extrem schnelle Verlagerung der Elektronen von dem Metallion auf die Liganden. Dieser Mechanismus ist wesentlich um eine elektrische Spannung zu erzeugen. In Anwendungen kommen Festkörpermaterialien bevorzugt zum Einsatz. In diesen sind die Übergangsmetallkomplexe sehr dicht gepackt, was zu einer starken Wechselwirkung führt. Bislang hatte man keine Information über den Einfluss dieser Wechselwirkung auf die ultraschnelle Elektronenbewegung nach der Lichtabsorption.
Um solch eine Elektronenbewegung direkt in Raum und Zeit zu verfolgen, benötigt man experimentelle Methoden, die die Position von Elektronen in einem Kristall mit einer Präzision von einem Ångström – etwa der Abstand zwischen benachbarten Atomen – auf einer sub-100-Femtosekunden-Zeitskala bestimmen können. Eine solche Abbildung ist möglich, wenn man ultrakurze Röntgenblitze an den Elektronen streut, da das Beugungsmuster die Information über die räumliche Anordnung der Elektronen zur Verfügung stellt. Die Bewegung der Elektronen wird mittels eines kurzen, optischen Lichtimpulses ausgelöst, welcher ein einzelnes Elektron an einem individuellen Metallkomplex anregt.
Abb.: Links jeweils zwei PF6--Ionen, 3-D-Oberfläche konstanter Elektronendichte ρ(r,t) = ρC = konst. Rechts zeigt die 3-D-Oberfläche konstanter Elektronendichte innerhalb der Einheitszelle des Kristalls die relative räumliche Anordnung der Eisenatome (Kugeln), Bipyridin-Liganden (Bretzelartige Objekte) und (PF6-)-Anionen (Oktaederförmige Sterne; Bild: MBI)
Nun berichten Forscher um Benjamin Freyer und Thomas Elsässer vom MBI über die erste in-situ Röntgenabbildung der Elektron- und Atom-Bewegungen, die durch solch eine Elektronentransfer-Reaktion ausgelöst wurden. Sie zeigen für das Material [Fe(bpy)3]2+(PF6-)2 zeitabhängige Elektronendichte-Karten, welche sie aus einzelnen Schnappschüssen mittels hundert Femtosekunden kurzer Röntgenblitze gewonnen hatten. Eine Serie von Schnappschüssen für verschiedene Momente vor, während und nach der Elektronentransfer-Reaktion konnten sie zu einem ultraschnellen Röntgenfilm über Elektron- und Atom-Bewegungen zusammenfügen.
Zur Überraschung der Wissenschaftler zeigten die zeitabhängigen Elektronendichte-Karten nicht nur eine Verschiebung der Elektronen von den Eisenatomen zu den Bipyridin-Liganden, sondern auch eine bislang unerwartete Verlagerung von Elektronen von den PF6--Anionen zu den Bipyridin-Liganden. Eine genaue Analyse der Röntgenschnappschüsse ergab, dass der Elektronentransfer auf etwa 30 Metallkomplexen (mit jeweils 2 PF6--Anionen) um den direkt vom Licht angeregten Komplex stattfindet. Starke Coulomb-Kräfte zwischen den unterschiedlichen Ionen, welche eine Minimierung der gesamten elektrostatischen Energie des Kristalls anstreben, rufen diese kollektive Antwort der Elektronen hervor. Solch ein Verhalten ist für das Einsammeln von elektrischer Ladung in opto-elektronischen Bauelementen sehr nützlich.
MBI / PH