Blitzschneller Schalter für die Elektronik
Extrem kurze, intensive Laserpulse verwandeln Quarzglas binnen Femtosekunden vom Isolator zum Leiter und zurück.
Halbleiterbauelemente bilden das Rückgrat elektronischer Geräte jeglicher Art. Die Geschwindigkeit, mit der solche Bauteile elektrische Ströme an- und ausschalten können, ist eine der entscheidenden Größen beispielsweise für die Leistungsfähigkeit von Computern. Die derzeit schnellsten, auf Silizium basierenden Transistoren arbeiten mit Taktraten von einigen Milliarden Schaltungen pro Sekunde – ein einzelner Schaltprozess dauert mithin etwa eine Zehnmilliardstel Sekunde. Einem Forscherteam um Ferenc Krausz, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und Leiter des Labors für Attosekundenphysik, ist es nun gelungen, einen Isolator mehr als zehntausend Mal so schnell zwischen dem leitenden und nicht-leitenden Zustand zu schalten. Möglich wurde dies mit sehr intensiven, ultrakurzen Laserpulsen.
Abb.: Ein nanometrisch dünner Film aus Quarzglas (schwarzer Rahmen in der Bildmitte) wird mit intensiven Femtosekunden-Pulsen (rot) aus wenigen Wellenzügen bestrahlt. Die starken Felder eines Pulses ändern die elektronischen Zustände in dem Glas. Diese schnellen Änderungen lassen sich in Echtzeit mit einer Serie von Schnappschüssen verfolgen. Dabei „durchleuchten“ Attokunden-Lichtblitze (blau) den Film. (Bild: T. Naeser, LMU)
Halbleiter verdanken ihren Namen einer besonderen Eigenschaft, elektrischen Strom zu leiten. Im Normalzustand verhalten sie sich wie Isolatoren, leiten Strom also nicht. Wenn man an sie aber eine kleine elektrische Spannung anlegt, werden sie zum Leiter. Ursache hierfür das elektrische Feld. Es führt den Elektronen, die im Normalzustand an ihre Atome gebunden sind, Energie zu und macht sie beweglich. Nun können sie einer von außen angelegten Spannung folgen und bilden einen elektrischen Strom.
Durch schnelles An- und Ausschalten der äußeren Spannung lässt sich somit in einem Halbleiter ein elektrischer Stromfluss schalten. In Isolatoren dagegen sind die Elektronen so fest an die Atome gebunden, dass dies nicht möglich ist – jedenfalls bis jetzt.
Ein Forscherteam um Agustin Schiffrin am Max-Planck-Institut für Quantenoptik bestrahlte den Isolator Quarzglas mit extrem kurzen Laserpulsen und erzeugte damit im Innern des Materials lokal so hohe elektrische Spannungen, dass die ursprünglich an die Atome gebundenen Elektronen mobilisiert wurden und einen Strom bildeten.
Das Quarzglas besaß die Form eines kleinen Prismas, das die Forscher auf zwei Seiten mit Goldkontakten bedampft hatten. Diese dienten als Elektroden, um den erzeugten Strom zu messen. Die wesentliche Errungenschaft, die das Experiment erst möglich machte, besteht darin, die Laserpulse extrem kurz und intensiv zu machen. Sie waren etwa vier Femtosekunden lang und bestanden nur aus etwa eineinhalb Schwingungen der Lichtwelle. „Wenn die Pulse länger wären, würden sie in dem Material so viel Energie deponieren, dass es zerstört würde“, erklärt Tim Paasch-Colberg, der ebenfalls am Experiment beteiligt war.
Licht besteht aus einem schwingenden elektrischen und magnetischen Feld. Ein extrem kurzer und intensiver Puls erzeugt auf der Größenskala beispielsweise des Siliziumatoms eine Spannung von ein bis zwei Volt. Das erscheint wenig, doch hochgerechnet auf unsere Makrowelt entspricht dies einer Feldstärke von mehr als zehn Milliarden Volt pro Meter – hunderttausend Mal mehr als in einem Blitz.
Abb.: Ein kleines Prisma wird zunächst mit einem starken Femtosekundenpuls aus nur wenigen Wellenzügen bestrahlt. Ein zweiter, wesentlich schwächerer Puls schiebt die Elektronen auf die Elektroden. Wird die Verzögerung zwischen den beiden Pulsen um genau eine halbe Wellenperiode des Laserfeldes verändert, dann kehrt der elektrische Strom seine Richtung um. Ein Hinweis darauf, dass die „Mobilisierung“ der Elektronen innerhalb von einer Femtosekunde erfolgt. (Bild: C. Hackenberger, LMU)
In ihrem Experiment wiesen die Garchinger Physiker nach, dass die Elektronen stets von dem elektrischen Feld nur einer halben Schwingung des Laserlichts freigesetzt wurden. Das bedeutet, dass der Isolator innerhalb von nicht einmal einer Femtosekunde zum Leiter wird. „Diese Messungen lassen aber die Frage offen, ob die Leitfähigkeit genauso schnell wieder abgeschaltet werden kann“, sagt Paasch-Colberg. Erst diese Eigenschaft macht ein Bauelement zu einem Schalter, mit dem sich elektrische Signale steuern und verarbeiten lassen.
Die Frage, wie schnell sich die Leitfähigkeit abstellen lässt, beantwortete ein Forscherteam um Martin Schultze in einem zweiten Experiment. Wieder wandelten die Physiker das Quarzglas mit einem ultrakurzen Laserpuls vom Isolator zum Leiter um. Dann schossen sie mit unterschiedlicher Verzögerung extrem kurzwellige UV-Laserpulse von nur wenigen Attosekunden Dauer hinterher und registrierten auf der Rückseite des Quarzglases, wie stark diese jeweils von dem Material absorbiert werden. Die Absorptionsstärke hängt nämlich davon ab, in welchem der beiden Zustände – Isolator oder Leiter – sich das Material befindet. „Das ist so, als würden wir einen Vorgang mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufnehmen und anschließend in Superzeitlupe studieren“, verdeutlicht Elisabeth Bothschafter, Wissenschaftlerin an diesem zweiten Experiment, die Technik.
Auf diese Weise wiesen die Forscher nach, dass die Veränderung des Isolators durch das starke Lichtfeld auch wieder rückgängig gemacht werden kann, und das auf der Zeitskala von wenigen Femtosekunden. Der Wechsel vom Isolator zum Leiter und wieder zurück lässt sich also beliebig wiederholen und ist somit reversibel. „Es ist für uns eine große Überraschung, dass grundlegende Eigenschaften von Stoffen mit der Geschwindigkeit von Lichtfrequenzen verändert werden können“, sagt Martin Schultze.
Ob Quarzglas als lichtschneller Schalter eingesetzt werden kann, müssen weitere Entwicklungen zeigen. So sind die hierfür nötigen intensiven Ultrakurzzeit-Laser derzeit noch viel zu groß.
MPG / PH