Bohrprojekt in Arktis - 3,6 Millionen Jahre Klimageschichte
Mit dem gigantischen Bohr-Vorhaben in der Arktis will ein internationales Expertenteam wichtige Aussagen zu Folgen der Klimaerwärmung gewinnen
Köln (dpa) - Mit einem gigantischen Bohr-Vorhaben in der Arktis will ein internationales Expertenteam ein Millionen Jahre altes Klima-Archiv und wichtige Aussagen zu Folgen der Klimaerwärmung gewinnen. «Wir bohren 420 Meter tief bis zum Grund des Elgygytgyn- Sees, da stecken 3,6 Millionen Jahre Klimageschichte drin», sagte Projektleiter Martin Melles in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Köln. Der See im Nordosten Sibiriens könne mittels der erborten Sedimente eine «lückenlose Pflanzen- und Klimageschichte» erzählen und auch Rückschlüsse auf die künftige Entwicklung ermöglichen, erklärte der Geologe der Kölner Universität, der Mitte Februar zu der fünfmonatigen Expedition aufbrechen wird.
Für den Einsatz bei minus 44 Grad und derzeitiger Dauer-Dunkelheit in der Hocharktis liefen die Vorbereitungen seit zehn Jahren, sagte Melles. Ende 2008 wurde zunächst 140 Meter tief am Ufer des Sees in den Permafrost - Dauerfrost - gebohrt. «Ein Viertel der gesamten Landoberfläche der Erde besteht aus Permafrost, in dem sehr viel Kohlenstoff gebunden ist - und es besteht die große Sorge, dass Methan und CO2 freigesetzt werden, wenn die Arktis taut.» Prognosen gehen infolge des Klimawandels von einem Anstieg der Temperatur um sieben bis neun Grad in der Arktis in den kommenden 100 Jahren aus. «Wenn man nachweisen kann, wie der Permafrost vor Millionen Jahren reagiert hat, kann man auch Rückschlüsse ziehen auf die heutige Zeit.»
Das Team mit fast 40 Experten auch aus den USA und Russland werde mit der speziell angefertigten, tonnenschweren Bohrvorrichtung insgesamt sogar in rund 600 Meter Tiefe vordringen, sagte Melles. «Unter dem See kommen wir an Meteoriten-Einschlaggestein heran, was uns wichtige Rekonstruktionen ermöglicht.» Die insgesamt 70 Tonnen schwere Bohrplattform stehe auf acht Schlitten, die über das Eis gezogen werden können. «Damit sind wir einigermaßen mobil, denn wir wollen ja an verschiedenen Stellen bohren», erklärte der Geologe. «Mit jeder Probe können wir dann etwa 100 Jahre Geschichte lesen.» Die Auswertung der Sedimente, die gut gekühlt im Spätsommer in Köln eintreffen sollen, werde einige Jahren dauern.
Um in den Härten der Hocharktis zu bestehen, müssten die Forscher topfit sein, sagte Melles. «Wir werden vorher auf Herz und Nieren geprüft, die meisten von uns haben aber schon Polar-Erfahrung.» Der Kölner Geologe war bereits neunmal in Polargebieten im Einsatz. Das GeoForschungszentrum Potsdam und das Alfred-Wegener-Institut, in denen Melles zuvor tätig war, sind Partner des bisher einzigartigen arktischen Mega-Projekts, das fast zehn Millionen Dollar (rund 7,7 Millionen Euro) kostet und vom Forschungsministerium mitfinanziert wird.
AL