15.03.2010

Borexino weist erstmals Geoneutrinos nach

Der Nachweis von Antineutrinos aus dem Inneren der Erde mit dem Borexino-Detektor im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor stützt die Theorie, dass Radioaktivität die wesentliche Quelle für die Erdwärme darstellt.

Der Nachweis von Antineutrinos aus dem Inneren der Erde mit dem Borexino-Detektor im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor stützt die Theorie, dass Radioaktivität die wesentliche Quelle für die Erdwärme darstellt.

Die Hitze im Erdinneren ist verantwortlich für die konvektiven Bewegungen im Erdmantel, welche die vulkanische Aktivität und die Plattentektonik und damit die seismischen Vorgänge (Erdbeben) beeinflussen, wie auch für den Geodynamo, der das Erdmagnetfeld erzeugt. Schon seit langem wird die Radioaktivität von natürlich vorkommenden Uran-, Thorium-, Kalium- und Rubidium-Isotopen als wesentliche Wärmequelle der Erde angenommen. Deren genauer Anteil blieb bislang aber unbekannt.

Abb.: Blick in den Borexino-Detektor. Im Innern einer Kugel, die 14 Meter durchmisst, treffen Geoneutrinos auf 300 Tonnen einer speziellen Flüssigkeit und erzeugen dort kleine Lichtblitze, die mit Photovervielfachern aufgenommen werden. (Bild: Borexino-Kollaboration)

Diese Isotope verraten sich durch die beim radioaktiven Betazerfall entstehenden Antineutrinos, die dank ihres ungeheuren Durchdringungsvermögens die gesamte Erde passieren können und so globale Informationen über das Erdinnere liefern. Auf die Bedeutung dieser "Geoneutrinos" wurde schon in den 1960er Jahren hingewiesen und eine bahnbrechende Arbeit von Krauss, Glashow und Schramm bereitete 1994 die Grundlage für dieses Forschungsfeld. Allerdings gestaltet sich der Nachweis der Antineutrinos als sehr schwierig, denn sie durchdringen nicht nur die gesamte Erde, sondern auch die Detektoren der Physiker fast ungehindert. Erste Hinweise auf niederenergetische Antineutrinos aus dem Erdinneren ergaben im Jahr 2004 Messungen des KamLAND-Experiments in Japan. Dieser Detektor litt jedoch unter Störstrahlung durch Antineutrinos aus Kernkraftwerken der Umgebung. Außerdem erschwerten Spuren von natürlicher Radioaktivität im KamLAND-Detektor den japanischen Forschern die Identifikation der Geoneutrinos.

Die internationale Borexino-Kollaboration, an der Institutionen aus Italien, den USA, Deutschland, Russland, Polen und Frankreich beteiligt sind, betreibt im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor einen Detektor, der vom Prinzip her dem KamLAND-Experiment sehr ähnlich ist, der aber eine 100fach geringere Rate an unerwünschten Untergrundereignissen aufweist. Das mit 300 Tonnen Flüssigszintillator gefüllte Großgerät wurde ursprünglich zum Nachweis niederenergetischer Neutrinos aus der Sonne entwickelt und liefert seit 2007 Daten. Stefan Schönert vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) war einer derjenigen, der die Messung von Antineutrinos aus der Erde und aus Kernreaktoren mit dem Borexino-Detektor vorgeschlagen hat. "Die niedrige Radioaktivität in Borexino war der Schlüssel zum Nachweis der Geoneutrinos", betont der Wissenschaftler, der entscheidend zum Gelingen des aktuellen Experiments beigetragen hat. Die dafür erforderlichen Technologien wurden unter anderem am MPIK entwickelt und umgesetzt. "Das Innere des Borexino-Szintillatortanks ist heute der hinsichtlich von Störstrahlung beste verfügbare Detektor für solche Messungen", so Hardy Simgen vom MPIK, der verantwortlich für den Spurennachweis von radioaktiven Edelgasen ist. "Neben der erzielten höchsten Reinheit der Szintillatorflüssigkeit und strahlungsarmen Konstruktionsmethoden hilft uns am Standort in Italien auch die Abwesenheit naher Kernkraftwerke".

Nachdem Borexino seit einigen Jahren erfolgreich Neutrinos aus dem Inneren der Sonne nachweist, eröffnet sich nun ein neuer Blick in das verborgene Erdinnere: Es wurde ein klares Signal von Antineutrinos beobachtet, die anhand ihrer Energieverteilung dem radioaktiven Zerfall von Uran und Thorium zugeordnet werden können. Durch den definitiven Nachweis dieser Geoneutrinos bestätigte sich, dass Radioaktivität zumindest erheblich, wenn nicht sogar überwiegend zur geothermischen Heizleistung von etwa 40 Terawatt beiträgt. Somit ist man der Lösung dieser grundlegenden Frage der Geologie einen großen Schritt näher gekommen. Unter den weiteren Energiequellen spielt die aus der Erdentstehung herrührende Restwärme die wichtigste Rolle. Ein leistungsstarker natürlicher Kernreaktor im Zentrum der Erde, der von einigen Theorien vorhergesagt wurde, konnte dagegen als signifikante Energiequelle anhand des beobachteten Geoneutrinoflusses ausgeschlossen werden.

Wenn auch Radioaktivität eine wesentliche Rolle als Quelle geothermischer Energie spielt, sind doch weitere Messungen mit einem globalen Netzwerk von Geoneutrino-Detektoren für ein detailliertes Verständnis notwendig. Die Ausnutzung der Geoneutrinos als einzigartige Sonde wird mit neuen Daten aus Borexino, KamLAND und zukünftigen Experimenten umfassendere Erkenntnisse über das Erdinnere und die Wärmequellen darin liefern.

Max-Planck-Institut für Kernphysik

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