29.04.2025

Wie Magnetfelder von Atomkernen wirken

Test der Quantenelektrodynamik umgeht unzureichende Kenntnis der Kernstruktur.

Wasserstoffartige Ionen, also Atomkerne, an die nur ein einzelnes Elektron gebunden ist, sind theoretisch besonders einfach zu beschreiben. Bei den genannten schweren Kernen mit hoher Protonenzahl – Wismut beispielsweise besitzt 83 positiv geladene Protonen im Kern – befindet sich das Elektron aufgrund der großen elektrischen Anziehungskraft bevorzugt in Kernnähe und damit innerhalb dieses extremen magnetischen Feldes. Dort richtet das Elektron sein eigenes Magnetfeld wie eine Kompassnadel an dem des Kerns aus. Durch die Zufuhr der genau richtigen Menge an Energie kann man diese Kompassnadel in die entgegengesetzte Richtung umklappen. Genau dies ist den Forschenden gelungen. Sie konnten die verwendete Methode dabei erstmals an einem radioaktiven Isotop anwenden, für das es eine besonders genaue theoretische Vorhersage über die Größe dieses Energiebetrags gab.

Abb.: Ein Elektron besitzt ein intrinsisches Magnetfeld welches sich im starken...
Abb.: Ein Elektron besitzt ein intrinsisches Magnetfeld welches sich im starken Feld des Atomkerns ausrichtet. Durch ein Photon eines Lichtpulses der richtigen Energie kann das Magnetfeld des Elektrons umgeklappt und das Elektron somit auf eine höhere Energie angehoben werden.
Quelle: R. Sánchez, GSI

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Die aufzuwendende Energie lässt sich mittels der Quantenelektrodynamik (QED) berechnen. Allerdings erschwert die unzureichende Kenntnis der Struktur solch schwerer Atomkerne die genaue Vorhersage und verhinderte bislang einen präzisen und eindeutigen Test der Theorie. Messungen an dem stabilen Isotop Bi-209 standen zuletzt zwar in Einklang mit der theoretischen Vorhersage. Allerdings gab es noch Zweifel daran, ob der Einfluss der Kernstruktur auf die theoretische Vorhersage dabei wirklich im angenommenen Umfang ausgeschaltet werden konnte. Um auch dieses Schlupfloch des experimentellen Tests zu schließen, wurde die Messung eines weiteren Wismut-Isotops mit einer abweichenden Kernstruktur vorgeschlagen. Leider besitzt Wismut kein zweites stabiles Isotop und daher musste das Forschungsteam unter Leitung von Wilfried Nörtershäuser auf ein radioaktives Isotop ausweichen. Dafür bot sich das Isotop Bi-208 an, welches ein Neutron weniger besitzt als das stabile Isotop und dadurch ein noch stärkeres Magnetfeld aufweist.

„Die Herausforderung bei diesem Experiment lag zunächst darin, das wasserstoffartige Ion des gewünschten Isotops Bi-208 zu erzeugen und zu isolieren“, erläutert Max Horst. Dazu wurden in einer Kernreaktion ein Neutron aus dem stabilen Bi-209 herausgeschlagen und die Bruchstücke dieser Reaktion im Experimentierspeichering ESR aufgesammelt. Gleichzeitig müssen dem Atom 82 der im neutralen Zustand vorhandenen 83 Elektronen entrissen werden. Im Speicherring kreisen die Fragmente mit etwa 72 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, also mit rund 200.000 Kilometern pro Sekunde. Die darunter befindlichen wasserstoffartigen Ionen des Isotops Bi-208 wurden identifiziert und alle unerwünschten Reaktionsprodukte entfernt. „Bei den früheren Messungen des stabilen Isotops Bi-209 hatten wir rund 1.000-mal mehr Ionen zur Verfügung“, erklärt Horst, „weshalb alle Aspekte des Experimentes hinsichtlich Effizienz und Sensitivität optimiert werden mussten.“

Das Messprinzip beruht dabei darauf, das Magnetfeld des Elektrons durch die Einstrahlung eines Laserstrahls mit der richtigen Energie umzuklappen. Dabei absorbiert das Ion ein Photon aus dem Laserstrahl. Dessen Energie findet sich danach in der erhöhten Energie des Elektrons durch dessen ungünstige Ausrichtung im Kernmagnetfeld. Um diese Energie wieder loszuwerden, klappt das Elektron im Mittel nach etwa einer halben Millisekunde wieder um und sendet dabei wiederum ein Lichtteilchen aus. Bis dahin hat das Ion den Speicherring bereits viele hundert Male umlaufen, und an einer besonders dunklen Stelle des Speicherrings werden diese emittierten Photonen mit empfindlichen Detektoren nachgewiesen. 

Wegen der geringen Zahl der vorhandenen Ionen war es entscheidend, dass es eine sehr genaue Vorhersage gab, bei welcher Photonenenergie bzw. bei welcher Wellenlänge des Lasers der Prozess stattfinden sollte. „Einen großen Wellenlängenbereich bei einer so kleinen Signalrate abzusuchen, hätte sehr viel Zeit gekostet“, sagt Nörtershäuser. Daher hat er vor einigen Jahren am Forschungszentrum Cern in der Schweiz Messungen an neutralen Atomen der beiden Bi-Isotope angeregt, aus denen sich der Einfluss der unterschiedlichen Kernstruktur abschätzen ließ. In Verbindung mit der früheren Messung des hochgeladenen Ions von Bi-209 konnten die dort beteiligten theoretischen Physiker eine sehr präzise Vorhersage der Übergangsenergie machen. Dies stand in Übereinstimmung mit einer vollen quantenmechanischen Berechnung, hatte aber eine etwa zehnfach höhere Genauigkeit. Die gemessene Wellenlänge stimmt exzellent mit dieser Vorhersage überein. Das Ergebnis kann nun verwendet werden, um auch den Einfluss der Kernstruktur auf andere Ladungszustände des Isotops Bi-208 vorherzusagen und das Verfahren lässt sich analog auch auf andere Isotope des Wismuts oder weiterer Elemente anwenden.

TU Darmstadt / JOL

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