Bose-Einstein-Feuerwerk
Durch stimulierte Atomkollisionen schießen aus einem Kondensat Materiestrahlen heraus.
Forscher an der Universität Chicago haben an Bose-Einstein-Kondensaten stimulierte atomare Kollisionen beobachtet, die der Superradianz von strahlenden Atomen im Laser ähneln. Dabei wurden umso mehr Atome in bestimmte Raumrichtungen gestreut, je mehr dorthin schon unterwegs waren. Dabei gelang es Cheng Chin und seinen Kollegen am James Franck Institut, die Wechselwirkung zwischen Atomen mit Hilfe von magnetischen oder optischen Feshbach-Resonanzen maßzuschneidern. Vor zwei Jahren konnten sie bereits den zwischenatomaren Kräften mit einem geeignet geformten Laserstrahl die gewünschte Orts- und Zeitabhängigkeit geben.
Abb.: Ein zeitlich periodisches Magnetfeld lässt durch eine Feshbach-Resonanz aus einem Bose-Einstein-Kondensat ein Feuerwerk hervorgehen. Aus dem Kondensat entweichen in stimulierter Weise Atome und bilden dabei deutlich sichtbare Strahlen. (Bild: L. W. Clark et al. / NPG)
In ihrem neuen Experiment griffen die Wissenschaftler auf magnetische Feshbach-Resonanzen von Cäsiumatomen zurück. Indem sie die Atome einem Magnetfeld aussetzten, das aus einem konstanten und einem sinusförmig veränderlichen Teil bestand, ließen sie die Kraft zwischen zwei Atomen zeitlich periodisch zwischen anziehend und abstoßend variieren. Etwa 30.000 Cäsiumatome befanden sich in einer optischen Falle und bildeten ein pfannkuchenförmiges Bose-Einstein-Kondensat, das einen halben Mikrometer dick war und einen Durchmesser von 17 Mikrometern hatte. Die zunächst ruhenden Atome wurden durch das Magnetfeld, das mit der Frequenz f oszillierte, paarweise zur Kollision gebracht. Dabei änderte sich die Energie der zusammengestoßenen Atome jeweils um hf/2, wie eine Messung der kinetischen Energie der aus dem Kondensat entweichenden Atome ergab.
Zunächst erfolgten die einzelnen Kollisionen spontan und die Atome flogen in zufällige Richtungen davon. War die zeitlich periodische Kraft zwischen den Atomen aber so bemessen, dass diese nach einer Kollision länger im Kondensat verbleiben und andere Atome beeinflussen konnten, bevor sie schließlich selbst entwichen, kam es zu einem sich aufschaukelnden Prozess. Dazu musste die Amplitude der zeitlich periodischen Kraftkomponente einen bestimmten Schwellenwert überschreiten.
Ähnlich wie in einem Laser oberhalb der Laserschwelle, wo die schon in einer Strahlungsmode vorhandenen Photonen die Emission weiterer Photonen dieser Mode stimulieren, brachten die nach einer Kollision in bestimmte Richtungen fliegenden Atome andere kollidierende Atome dazu, in dieselben Richtungen zu fliegen. Dabei wurden die Flugrichtungen in der Kondensatebene bevorzugt, da hier die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision am größten war. Sah man von oben auf das Kondensat, so flogen die Atome wie bei einem Feuerwerk in alle Richtungen der Kondensatebene davon. Dabei zeigten sich auffällige Strahlen, was eine Korrelationsmessung der Richtungswinkel, unter denen die Atome entwichen, bestätigte: Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Atome in nahezu dieselbe Richtung oder in entgegengesetzte Richtungen davonflogen, war stark erhöht.
Diese Beobachtungen stimmen gut mit den Ergebnissen von Berechnungen überein, die die Forscher für die zeitliche Entwicklung des Kondensats im Magnetfeld durchgeführt hatten. Demnach überdeckte jede „Streumode“, die als Strahl von in nahezu gleicher Richtung davon fliegenden Atomen sichtbar wurde, einen Winkel von etwa zwei Grad. Die Zahl der Atome, die durch Stimulation in solch eine Streumode gelangten, wuchs exponentiell mit der Zeit an. Erst wenn der Atomvorrat im Kondensat zur Neige ging, flachte die Wachstumskurve ab.
Wurde die exponentielle Wachstumskurve einer solchen Streumode auf sehr kurze Beobachtungszeiten extrapoliert, so ergab sich, dass die Mode anfangs mit einem Atom besetzt gewesen war. Der sich aufschaukelnde Stimulationsprozess hatte also mit einem zufällig in diese Richtung gestreuten Atom begonnen. Am Anfang stand demnach eine Quantenfluktuation, die dann lawinenartig zu einem sichtbaren Atomstrahl verstärkt wurde. Auf diese Weise könnten auch andere, exotische Materiezustände soweit verstärkt werden, dass sie sich als intensiver Strahl nachweisen lassen.
Rainer Scharf
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