14.08.2024

Bose-Einstein-Kondensat aus Licht

Licht einer Laserdiode zeigt Eigenschaften eines BEKs.

Das Landesforschungs­zentrum Optimas an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Uni­versität Kaiserslautern-Landau fördert schwerpunktmäßig Forschung an der Schnittstelle von Optik und Material­wissenschaft. Hierzu trägt der Kaisers­lauterner theoretische Quanten­physiker Axel Pelster mit einer aktuellen Forschungsarbeit bei, die in Zusammen­arbeit mit experi­mentellen Kollegen der Technischen Universitäten Berlin, Łódź und Wrocław entstanden ist. Darin wird gezeigt, dass das Licht einer Laserdiode auch die Eigenschaften eines Bose-Einstein-Kondensats (BEKs) von Photonen haben kann.

Abb.: Das Team um Aleksandra Piasecka, Tomasz Czyszanowski, Maciej Pieczarka...
Abb.: Das Team um Aleksandra Piasecka, Tomasz Czyszanowski, Maciej Pieczarka und Axel Pelster (v.l.n.r.) hat sich mit dem Nachweis eines Bose-Einstein-Kondensats von Photonen in einem Halbleiterlaser befasst.
Quelle: RPTU

Kühlt man Bosonen ab, so führt deren Ununter­scheidbarkeit zu beeindruckenden Quanteneffekten. Insbesondere überlappen die Wellen­funktionen einzelner Bosonen im Grundzustand und bilden eine einzige makroskopische Welle aus, die das kollektive kohärente Verhalten der Teilchen beschreibt. Dieses makroskopische Quanten­phänomen der Bose-Einstein-Kondensation wurde 1995 bei bosonischen Alkaliatomen in magneto-optischen Fallen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt realisiert. In 2010 gelang dies an der Universität Bonn dann auch bei Photonen, den Quanten des Lichts, in einer mit Farbstoff gefüllten Mikro­kavität bei Raumtemperatur. Beobachtet man das Spektrum der Photonen, die die Mikro­kavität verlassen, so entspricht dieses einer Bose-Einstein-Verteilung. Damit handelt es sich überraschender­weise um den thermo­dynamischen Gleichgewichts­zustand eines eigentlich offen-dissipativen Vielteilchen-Quanten­systems. 

Da die Photonen von den Farbstoff­molekülen ständig absorbiert und emittiert werden, thermalisiert das Photonengas, während gleichzeitig das Pumpen der Mikro­kavität mit einem Laser die Verluste durch die Spiegel ausgleicht. Ein Experiment zu Bose-Einstein-Kondensaten von Photonen in mit Farbstoff gefüllten Mikro­kavitäten wurde kürzlich auch in der Kaiserslauterner Arbeitsgruppe von Georg von Freymann aufgebaut. Im Rahmen des Sonder­forschungsbereichs Oscar untersuchen er und Axel Pelster in einem gemeinsamen Projekt die emergente Phasen von
Gitterstrukturen getriebener, dissipativer Photonengase.

„Meine experi­mentellen Kollegen um Maciej Pieczarka von der Technischen Universität Wrocław stellten sich nun die Frage, ob solche Bose-Einstein-Kondensate von Photonen auch bei Lasern auftreten könnten“, berichtet Axel Pelster. Um dies zu klären, untersuchten sie systematisch VCSEL – Vertical-Cavity Surface-Emitting Laser. Es handelt sich dabei um eine Laserdiode, bei der das Licht senkrecht zur Ebene des Halbleiter­chips abgestrahlt wird. Dieser spezielle Halbleiter-Laser im nahen Infrarot stellt die Schlüssel­technologie für einen weltweit schnell wachsenden Markt dar, dessen Umsatz in diesem Jahr voraussichtlich zwei Milliarden Euro überschreiten wird. So werden VCSEL etwa bei Laserdruckern, bei der Glasfaser-Datenübertragung, bei der Gesichts­erkennung zum Entsperren von Smartphones oder beim kontaktlosen Bezahlen, sowie bei der Navigation autonomer Fahrzeuge verwendet.

Das Herzstück des VCSEL besteht aus einem Quantentopf mit einer n-dotierten GaAs Region, die sich innerhalb einer Mikro­kavität befindet. Absorption und Emission von Photonen, die von den beiden Spiegeln reflektiert werden, führt zur Erzeugung und Vernichtung von Elektronen und Löchern im Leitungs- und Valenzband des Quantentopfs. Für die Funktions­weise des VCSEL ist nun die Verstimmung entscheidend, also die Energie­differenz zwischen der Photonen­energie und der Anregungs­energie des Quantentopfes. Sie lässt sich über den Abstand zwischen den Spiegeln verändern, da dieser die Photonen­energie bestimmt. Genaue experi­mentelle Unter­suchungen zeigen bei negativer (positiver) Verstimmung, dass das aus dem VCSEL austretende Licht die Eigenschaften eines Lasers (BEKs) besitzt. 

So findet man im Falle einer positiven Verstimmung, dass während der Lebensdauer der Photonen so viele Elektron-Loch-Paare angeregt werden, dass eine effektive Thermalisierung zu einer Bose-Einstein-Verteilung erfolgen kann. Dabei zeigt sich aber im Unterschied zu den mit Farbstoff gefüllten Mikro­kavitäten, dass die resul­tierende spektrale Temperatur im Vergleich zur Umgebungs­temperatur signifikant kleiner ist. Ein tieferes Verständnis für diese verblüffende Beobachtung steht zurzeit noch aus. Für die Bose-Einstein-Kondensation der Photonen ist außerdem entscheidend, dass die longi­tudinale Komponente des Wellenvektors durch die Rand­bedingungen an den Spiegeln festgelegt wird, während in trans­versaler Richtung keinerlei Einschränkungen vorliegen. 

Für genügend langwellige transversale Anregungen ähnelt daher die drei­dimensionale relativistische Dispersions­relation masseloser Photonen näherungsweise der eines zwei­dimensionalen Gases nicht­relativistischer massiver Teilchen. Die resul­tierende effektive Masse entspricht etwa einem Hunderttausendstel der Masse eines Elektrons. Durch die Bestimmung der Zustandsdichte der Photonen in den VCSEL-Experimenten konnte die effektive Zwei­dimensionalität des Photonen­gases bestätigt werden.

Die neue Studie ist zeitgleich mit einer unabhängig davon durch­geführten, ähnlichen Studie erschienen, bei der die Experimente unter Federführung des Imperial College in London stattfanden. Beide Forschungs­arbeiten zeigen eindrucksvoll, dass photonische Bose-Einstein-Kondensate auch in Halbleiter­lasern auftreten können. Dies eröffnet zum einen die Möglichkeit, durch eine geeignete Wahl des Halbleiter­materials größere Photon-Photon-Wechsel­wirkungsstärken zu realisieren. Gegebenenfalls lässt sich dadurch künftig die Super­fluidität eines schwach wechsel­wirkenden Photonen-Gases durch die Beobachtung gequantelter Wirbel nachweisen. Zum anderen verspricht die natürliche Integration eines Bose-Einstein-Kondensats von Photonen in die Halbleiter­technologie potentiell interessante Anwendungen.

RPTU / JOL

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