Bose-Einstein-Kondensat wird suprasolid
Forscher an der ETH Zürich haben an ultrakalten Atomen einen neuen Quantenphasenübergang beobachtet.
Forscher an der ETH Zürich haben an ultrakalten Atomen einen neuen Quantenphasenübergang beobachtet.
Experimente mit ultrakalten atomaren Gasen haben Schwung in die Physik der kondensierten Materie gebracht. An ihnen kann man viele grundlegende physikalische Probleme unter nahezu idealen Bedingungen untersuchen, wie etwa den Übergang von einer Supraflüssigkeit zu einem Mott-Isolator oder vom Bose-Einstein-Kondensat zum supraleitenden BCS-Zustand. Jetzt haben Forscher um Tilman Esslinger an der ETH Zürich beobachtet, wie ein Bose-Einstein-Kondensat einen Quantenphasenübergang macht und dabei in einen selbstorganisierten suprasoliden Zustand übergeht, der räumlich geordnet und suprafluid ist.
Abb. 1: Ein Bose-Einstein-Kondensat in einem Resonator wird mit einem Laser bestrahlt (a). Überschreitet die Laserintensität einen kritischen Wert, so streuen die Atome so viel Licht in die Resonatormode, dass das resultierende Lichtfeld die Atome in einem Schachbrettmuster anordnet (b). (Bild: Kristian Baumann et al., Nature)
Den Forschern ging es zunächst darum, an einem Bose-Einstein-Kondensat experimentell das Phänomen der Superradianz zu untersuchen, das Robert Dicke 1954 beschrieben hatte. Dazu wird eine große Zahl von Zweiniveauatomen, die eine sehr lange, zigarrenförmige Wolke bilden, optisch angeregt. Zunächst strahlen die Atome unabhängig voneinander, doch dann beginnen sie, mit der entlang der Zigarrenachse abgegebenen Strahlung zu wechselwirken. Ist die optische Anregung hinreichend stark, so stimmen sich die Atome miteinander ab und emittieren kohärent, so dass entlang der Achse intensives Licht abgestrahlt wird. Es kommt zur Superradianz.
Was passiert nun, wenn die Atomwolke ein Bose-Einstein-Kondensat ist? Um den Weg des Lichtes durch die Wolke möglichst lang zu machen, haben die Forscher ihr nicht Zigarrenform gegeben sondern sie zwischen die beiden Spiegel eines optischen Resonators gebracht. Dessen Resonanzfrequenz war rotverstimmt gegen die Anregungsfrequenz der Atome. Mit einem in ähnlicher Weise rotverstimmten Laser, der senkrecht zur Resonatorachse ausgerichtet war, wurde eine stehende Lichtwelle erzeugt, die auf das Kondensat einwirkte. Die Atome streuten die Laserphotonen, zunächst unabhängig voneinander und in unbestimmte Richtung.
Wurde nun die Intensität des Laserlichts erhöht, so begann das gestreute Licht zunehmend auf die Atome einzuwirken, und zwar vor allem das Licht, das zwischen den Spiegeln vielfach reflektiert wurde. Bei einer bestimmten, kritischen Laserintensität wurde im Resonator eine stehende Lichtwelle angeregt, die wiederum auf die Atome zurückwirkte. Die beiden rotverstimmten stehenden Lichtwellen des Resonators und des Lasers bildeten ein schachbrettförmiges optisches Gitter, in dem die Atome zu den Punkten mit hoher Intensität hingezogen wurden. Dadurch wurde dem anfänglich homogenen Kondensat ebenfalls ein Schachbrettmuster aufgeprägt, das wiederum die Streuung des Laserlichts in den Resonator verstärkte. Es kam es zu einer Rückkopplung und damit zur Superradianz: Durch einen der beiden Spiegel, der teildurchlässig war, entwich plötzlich intensives Licht.
Abb. 2: Das zunächst unstrukturierte Bose-Einstein-Kondensat (links) zeigt nach dem Quantenphasenübergang charakteristische Peaks im Beugungsbild (rechts), die auf eine Schachbrettstruktur hindeuten. (Bild: Kristian Baumann et al., Nature)
Das Schachbrettmuster der Atome, das die Forscher sichtbar machen konnten, hatte eine Besonderheit. Die Atome saßen entweder alle auf den „weißen“ oder den „schwarzen“ Feldern dieses Schachbretts. Das hing davon ab, ob die beiden stehenden Lichtwellen des Lasers und des Resonators gleich- oder gegenphasig zu einander schwangen. War die Phasenbeziehung einmal festgelegt, konnte sie sich nicht mehr ändern. Diese Symmetriebrechung wurde durch Quantenschwankungen des Laserlichts hervorgerufen – und nicht durch thermisches Rauschen. Damit war der Phasenübergang vom homogenen zum strukturierten Kondensat ein Quantenphasenübergang, den die Forscher als Dicke-Quantenphasenübergang bezeichnen.
Wenn das Bose-Einstein-Kondensat diesen Phasenübergang machte, behielt es seine Quantenkohärenz und blieb damit suprafluid. Doch zugleich nahm es eine kristalline Struktur an und wurde damit starr und fest. Das Kondensat ging also in einen suprasoliden Zustand über, wie man ihn seit einiger Zeit an ultrakaltem Helium erforscht. Tilman Esslinger und seine Kollegen haben mit ihrem Experiment so viele interessante neue Fragen aufgeworfen, dass man auf weitere Untersuchungen gespannt sein darf.
RAINER SCHARF
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