27.06.2018

Brücken aus Wasser

Wassermoleküle fügen sich beim Anlagern an Oberflächen zu brückenartigen Strukturen zusammen.

Wasser ist eine erstaunlich komplizierte Flüssigkeit. Wie sich einzelne Wasser­moleküle an unter­schiedlichen Materialien anlagern, ist das für viele wichtige Vorgänge entscheidend – etwa für Korrosion und Verwitterungs­effekte oder für das optimale Funktionieren von Katalysatoren. Einem Team der TU Wien gelang es nun, die Struktur von Wasser­molekülen auf Eisenoxid-Oberflächen genau zu entschlüsseln. Wie sich dabei zeigte, können sich die Wasser­moleküle auf der Oberfläche zu komplizierten, brücken­artigen Strukturen zusammen­finden. Diese Strukturen spielen für chemische Reaktionen an der Oberfläche eine wichtige Rolle.

Abb.: Wassermoleküle bilden komplexe Strukturen auf der Eisenoxid-Oberfläche. (Bild: TU Wien)

„Das Besondere an Wassermolekülen ist, dass sie sogenannte Wasserstoff-Brücken­bindungen ausbilden können“ erklärt Gareth Parkinson vom Institut für angewandte Physik der TU Wien. „Die elektrische Ladung ist nicht gleich­mäßig verteilt. Das Sauerstoff-Atom ist ein bisschen negativ geladen, die Wasserstoff­atome ein bisschen positiv.“ Dadurch können sich Bindungen zwischen Wasser­molekülen bilden – die berühmten Wasserstoff-Brücken­bindungen – oder es können auch Bindungen zwischen einem Wasser­molekül und anderen Molekülen entstehen.

Das hat weitreichende Auswirkungen: So sind die Wasserstoff-Brücken­bindungen etwa dafür verantwortlich, dass Wasser erst bei einer recht hohen Temperatur von 100 Grad Celsius kocht, und auch für die Struktur von Proteinen spielen Wasserstoff-Brücken­bindungen eine wichtige Rolle.

Sogar für völlig unwissenschaftliche Behauptungen müssen diese Bindungen immer wieder herhalten – so sollen sie angeblich für Wasser­cluster verantwortlich sein, durch die sich im Wasser mysteriöse „Information“ speichern lassen soll. Das ist physikalisch nicht möglich, weil die Wasserstoff-Brücken­bindungen sehr schwach sind, und in flüssigem Wasser innerhalb von Sekunden­bruchteilen wieder zerstört werden. Doch wenn sich Wasser­moleküle an Ober­flächen anlagern, kann die Sache ganz anders aussehen: Bei niedrigen Temperaturen entstehen erstaunlich komplexe, stabile Strukturen.

„Indirekte Hinweise auf eine solche Struktur­bildung gab es bereits“, sagt Ulrike Diebold (TU Wien). „Aber um die Struktur des Wassers auf Eisenoxid-Ober­flächen wirklich sichtbar zu machen, mussten wir die neuesten und besten Mess­methoden noch weiter verbessern und ganz an die Grenzen des Möglichen gehen.“

Bei niedrigen Temperaturen wird zunächst im Vakuum ein Strahl von Wasser­molekülen auf die Oberfläche geblasen. Dann wird wird die Ober­fläche vorsichtig erwärmt, bis zu einer Temperatur von ungefähr -30 Grad Celsius. Dabei werden die Wasser-Strukturen nach und nach aufgebrochen. Die Wasser­moleküle verlassen einzeln die Oberfläche und werden an einem Detektor aufgefangen. „Wir können genau messen, wie viele Wasser­moleküle bei welcher Temperatur die Oberfläche verlassen. Daraus kann man auf die Bindungs­energie schließen – und das sagt uns, um welche Molekül-Strukturen es sich gehandelt hat“, erklärt Gareth Parkinson.

Gleichzeitig haben die Forscher mit Hilfe eines speziellen vibrations­gedämpften Hoch­leistungs­mikroskops hoch­auflösende Bilder von der Oberfläche erstellt, auf denen man die Wasser-Strukturen erkennen kann, und zusätzlich haben sie aufwändige Computer­simulationen entwickelt, um die geometrische Anordnung der Wasser­moleküle auf Quanten-Ebene zu erklären. „Wir haben somit drei Werkzeuge zur Verfügung, um die Wasser-Strukturen zu untersuchen, und das ist auch nötig, um ein zuverlässiges Resultat zu erhalten“, sagt Gareth Parkinson. „Alle drei Analysen stimmen bestens überein, daher können wir mit großer Sicherheit sagen, dass wir die Struktur­bildung von Wasser auf Eisenoxid-Oberflächen nun verstehen.“

Wie sich zeigt, bilden sich mehrere Strukturen: Kaum ein Wasser­molekül sitzt alleine auf der Ober­fläche, man findet Paare und Dreier­gruppen von Wasser­molekülen, und zusätzlich treten komplexere Strukturen aus sechs oder acht Molekülen auf, die sich wie elliptisch gekrümmte Brücken­bögen über die Eisenoxid-Oberfläche spannen. „Unser Hauptziel war, die Analyse­methoden so weiter­zuentwickeln, dass solche Molekül-Strukturen eindeutig nachweisbar werden – und das ist uns gelungen“, sagt Ulrike Diebold. „Die Methode, die wir hier für Eisenoxid eingesetzt haben, lässt sich genauso auch auf andere Materialien übertragen.“

TU Wien / DE

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