Ceres zeigt Polwanderung
Neuorientierung der Drehachse deutet auf komplexes Innenleben des Zwergplaneten.
Der Zwergplanet Ceres ist kein ganz gewöhnlicher Bewohner des Asteroidengürtels. Mit einem Äquatordurchmesser von 964 Kilometern ist er nicht nur dessen größter Himmelskörper, sondern auch der einzige Zwergplanet in diesem Teil unseres Sonnensystems. Ceres weist eine ungewöhnlich reichhaltige Struktur auf, etwa Bruchzonen, Kryovulkanismus und einen den Zwergplaneten umgebenden Gebirgskamm. Er hat auch eine überraschend vielfältige Oberflächenchemie zu bieten, zu der insbesondere organische Substanzen gehören. Seine Polkappen sind eisbedeckt, während die Äquatorregionen von Ceres ziemlich trocken sind. Viele dieser Erkenntnisse stammen von Messungen der Raumsonde Dawn, die die NASA 2007 ins All gebracht hat, um den Asteroiden Vesta sowie Ceres zu untersuchen, wo Dawn schließlich 2015 ankam.
Abb.: Diese Falschfarbendarstellung zeigt die Unterschiede in der Oberflächenbeschaffenheit von Ceres. (Bild: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS / DLR / IDA)
In einigen Daten von Dawn haben sich nun Anzeichen dafür gefunden, dass Ceres je nach Region eine hohe Variation in seiner Dichte hat. Pasquale Tricarico vom Planetary Science Institute in Tucson in den USA hat dies zum Anlass genommen, die Topologie von Ceres mit den Gravitationsmessungen von Dawn abzugleichen. Dabei ist er auf ein Phänomen gestoßen, dass von anderen Himmelskörpern in unserem Sonnensystem bereits bekannt ist: Offenbar hat Ceres eine Umorientierung seiner Drehachse erfahren, so dass seine Pole gewandert sind. Beim Mars etwa hat sich die ursprüngliche Drehachse durch die Entstehung der vulkanischen Tharsis-
Eine eigenartige Struktur auf Ceres ist ein Gebirgskamm, der den Zwergplaneten mit einer um 36 Grad zum Äquator versetzten Neigung umgibt. Außerdem fand Tricarico ein Gebiet mit einer besonders dichten Kruste, das vermutlich verantwortlich war für die Neuorientierung der Zwergplanetenachse. Der schräg zur Rotation stehende Gebirgskamm war dann der ehemalige Äquator. Interessanterweise hat auch der Saturnmond Iapetus, der etwas größer ist als Ceres, einen äquatorialen Bergkamm, der durch Kompressionskräfte zustande gekommen ist.
Das Innenleben von Ceres dürfte demzufolge komplexer aussehen, als man früher angenommen hat. Der Zwergplanet ist wohl ein teilweise ausdifferenzierter Körper, der aus mehreren Schichten besteht. Der höchste Berg auf Ceres ist Ahona Mons, nach heutigem Kenntnisstand ein Kryovulkan, der Wasser- oder Eisgemische ausstößt. Er befindet sich auf rund zehn Grad südlicher Breite. Seine Entstehung könnte einen Teil der wohl schrittweise erfolgten Polwanderung verursacht haben.
Bei einer solchen Umorientierung der Drehachse wirken große Scherkräfte auf den Himmelskörper. Diese haben vermutlich zu den beobachteten Bruchzonen im Gestein geführt. Kleinere Risse im Gestein, die schon vorher durch andere Prozesse vorgelegen haben, haben sich dann während der Polwanderung vergrößert und schließlich zu den eindrucksvollen Formationen geführt, die Dawn in den letzten Jahren aufnehmen konnte.
Anhand der Einschlagskrater auf Ceres konnte Tricarico auch das ungefähre Alter der verschiedenen Formationen bestimmen. Die Dichteanomalie, die zur Polwanderung geführt hat, hat sich in den ersten paar hundert Millionen Jahren nach der Entstehung von Ceres gebildet. Die Polwanderung sollte demnach innerhalb der ersten Milliarde Jahre seiner Existenz stattgefunden haben.
Dirk Eidemüller
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RK