02.10.2003

Chamäleon-Prozessor: magnetisch speichern und rechnen

Hauchdünne Magnetschichten bilden das Rückgrat der heutigen Datenspeicherung. Nun könnten so genannte magnetoresistive Elemente neben dem Speichern sogar das Rechnen übernehmen.

Chamäleon-Prozessor: magnetisch speichern und rechnen

Berlin – Hauchdünne Magnetschichten bilden das Rückgrat der heutigen Datenspeicherung. Nun könnten so genannte magnetoresistive Elemente neben dem Speichern sogar das Rechnen in Computern übernehmen und so den Transistor-Prozessoren in Zukunft ernsthaft Konkurrenz machen. Ihre Vorteile: Auch nach einem Absturz oder Stromausfall bleiben die Daten verfügbar, denn eine einmal vorliegende Magnetisierung ist im Unterschied zu elektronischen Schaltvorgängen nicht flüchtig. Zudem bräuchten für gleiche Berechnungen deutlich weniger magnetische Schaltelemente im Vergleich zu Silizium-Transistoren auf einem Prozessor verknüpft werden.

Magnetoresistive Elemente zur Datenspeicherung - so genannte MRAMs - werden derzeit von IBM und Infineon entwickelt. (Quelle: IBM)

Die grundlegenden Ideen dazu erdachten nun Berliner Forscher am Paul-Drude-Institut. In der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichten sie quasi eine Bauanleitung, wie sich über die magnetische Ausrichtung der Atome in zwei parallelen Schichten aus beispielsweise Kobalteisen-Legierungen komplexe logische Schaltungen erstellen lassen. "Berechnungen könnten dadurch mit mindestens viermal weniger logischen Schaltelementen durchgeführt werden als mit klassischen Transistor-Prozessoren", erklärt Projektleiter Reinhold Koch.

"AND, OR, NAND, NOR", auf diesen vier logischen Verknüpfungen bauen alle Rechenoperationen in einem Prozessor auf. Sind mit Siliziumtransistoren, die einzeln nur zwischen "0" und "1" - also Strom "ein" und "aus" - unterscheiden können, bis zu vier Elemente für eine komplexere logische Verknüpfung nötig, reicht in der magnetischen Schaltwelt theoretisch nur ein einziges. Allein vier verschiedene Grundzustände lassen sich mit einem System aus zwei magnetisierbaren Schichten, die durch eine isolierende Lage voneinander getrennt sind, darstellen. Bei zwei Ausrichtungen des magnetischen Moment pro Schicht ergeben sich zwei parallele (links/links, rechts/rechts) und zwei entgegen gesetzte Grundzustände (recht/links, links/rechts).

In den kommenden Monaten wollen die Wissenschaftler ihre Idee, mit magnetischen Elementen zu rechnen, experimentell umsetzen. Dafür gibt es erste Kontakte zu IBM, Siemens und Motorola. "Über zwei stromdurchflossene Leiter ließe sich jeweils die Ausrichtung des Magnetfeldes pro Element und für jede Schicht kontrollieren", so Koch. Die möglichen Schaltraten können sich dabei mit Gigahertz-Frequenzen in den gleichen Bereichen bewegen wie bei heute verwendeten Transistor-basierten Prozessoren. Parallel lassen sich die gleichen Module natürlich weiterhin –klassisch – für die Datenspeicherung verwenden. Wegen dieses Flexibilität und Programmierbarkeit sprechen die Fachleute auch von "Chamäleon-Prozessoren".

"Letztendlich arbeiten die Transistor-Prozessoren enorm ineffektiv", sagt Koch. Denn sei es für eine Soundkarte, für einen Fließkomma-Prozessor oder eine Grafik-Karte: für jede Anwendung entwerfen die Chipentwickler eine optimale Schaltarchitektur. "Diese Vielfalt wäre bei Magnet-Prozessoren nicht nötig", so Koch weiter. Denn eine Anpassung an die jeweiligen Aufgaben würde bei diesen Systemen quasi über ein eigenes Programm gesteuert werden und müsste nicht bereits Hardware-seitig vorgegeben sein. Genau hier schlummert das wohl größte Potenzial der Magnet-Prozessoren, da sie alle baugleich hergestellt werden und erst darauf durch die Software auf die jeweilige Anwendung getrimmt werden.

Doch bis zum ersten Magnetprozessor dürften noch fünf bis zehn Jahre vergehen, schätzt Koch. Jedenfalls hat sich das Paul-Drude-Institut ihre Ideen schon einmal gesichert, "Ein Patent haben wir angemeldet und hoffen nun, dass das enorme Potenzial von der Industrie erkannt wird." Vielleicht nicht vergebens, denn Experten rechnen bereits für nächstes Jahr mit ersten kommerziellen Produkten, die das magnetoresistive Verhalten in so genannten MRAM-Modulen (Magnetic Random Access Memory) nutzen. Im Unterschied zu den heute noch flüchtigen DRAM-Modulen halten diese magnetischen Arbeitsspeicher die jeweils zuletzt angezeigten Daten auch ohne Strom sicher fest. Und aufbauend auf diesen MRAM-Elementen wollen Koch und Kollegen ihre weiteren Experimente hin zum Magnet-Prozessor durchführen.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weiterführende Literatur:

  • P. Grünberg, Layeredmagnetic structures: history, highlights, applications, Phys.Today 54, 31 (2001).  
  • G. A. Prinz, Magnetoelectronics, Science 282, 1660 (1998).  
  • Th. Gerrits, H. A. M. van den Berg, J. Hohlfeld, L. Bär und Th. Rasing, Ultrafast precessional magnetization reversal by picosecond magnetic field pulse shaping, Nature 418, 509

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