05.10.2011

Chemie-Nobelpreis für die Entdeckung der Quasikristalle

Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften verleiht den Nobelpreis für Chemie 2011 an Daniel Shechtman vom Israel Institute of Technology, Haifa, „für die Entdeckung der Quasikristalle“.

Abb.: Dan Shechtman (Bild: Technion)

Auf der Suche nach neuen technisch interessanten Legierungen hatte Daniel Shechtman Aluminium 14 Prozent Mangan beigemischt und die Schmelze schlagartig erstarren lassen. Dabei entstehen Mikrometer-kleine Kristallite, die Shechtman mithilfe eines Elektronenmikroskops untersuchte. Am 8. April 1982 sah er ein Beugungsbild, das nach dem damaligen Verständnis nicht möglich sein sollte: Das Bild wies eine zehnzählige Symmetrie auf, d. h. Rotationen um 36 Grad führten das Bild in sich selbst über. Die Reflexe, aus denen das Beugungsbild besteht, waren in einer Hierarchie von regelmäßigen Fünfecken angeordnet, die Shechtman und seine Mitarbeiter mit fünfzähligen Symmetrieachsen in Verbindung brachten. Dabei hatte doch bereits Johannes Kepler gezeigt, dass sich ein periodisches Gitter, wie es für einen kristallinen Festkörper charakteristisch ist, nur aus Elementen aufbauen lässt, die ein-, zwei-, drei-, vier- oder sechszählige Symmetrie besitzen. Gleichzeitig waren die Beugungsreflexe so scharf, dass die Atome in der Legierung nach einer strengen Regel verteilt sein mussten. Wie passte dies zusammen? Shechtmans Entdeckung wurde mit viel Skepsis aufgenommen, und es dauerte über zwei Jahre, bevor seine Arbeit im November 1984 in Physical Review Letters erschien.

Danach zeigte sich recht schnell, dass geeignete Konzepte für eine Erklärung schon existierten. Bereits in den 1970er-Jahren hatte Roger Penrose gezeigt, wie sich mit zwei unterschiedlichen Rauten gleicher Seitenlänge, aber unterschiedlichem eingeschlossenen Winkel, ein lückenloses quasiperiodisches Gitter in der Ebene konstruieren lässt. Später gelang es, diese Arbeiten auf drei Dimensionen zu verallgemeinern und zu zeigen, wie sich aus Rhomboedern ein dreidimensionales quasiperiodisches Gitter konstruieren lässt. Darauf aufbauend deuteten Don Levine und Paul Joseph Steinhardt bereits wenige Wochen nach der Veröffentlichung Shechtmans Ergebnisse. Levine und Steinhardt prägten auch den Begriff der Quasikristalle, die keine Translationssymmetrie aufweisen, sich also nicht nach einer Verschiebung um die Basisvektoren wiederholen, dennoch ist in ihnen die Position jedes Gitterpunkts nach einer festen Vorschrift vorgegeben. Aufgrund dieser Ergebnisse änderte die International Union of Crystallography die Definition der Kristalle in „einen Festkörper mit im Wesentlichen diskreten Diffraktionsdiagramm“.

Abb.: Das von Shechtman beobachtete Beugungsbild wies zu seiner großen Überraschung eine zehnzählige Symmetrie und in Fünfecken angeordnete Beugungsreflexe auf. (Bild: Shechtman et al. / PRL)

Durch hartnäckige Wiederholungen seiner Diffraktionsexperimente gelang es Shechtman, die Skepsis seiner Kollegen zu überwinden. Auf der anderen Seite begannen bald die Bestrebungen, solche Quasikristalle gezielt herzustellen. Intermetallische Verbindungen wie die von Shechtman gefundene sind recht zahlreich, das Phänomen ist ansonsten jedoch recht selten und zeigt sich etwa bei verzweigten Flüssigkristall-Dendrimeren oder bei bestimmten Anordnungen von Nanopartikeln. Da sich mit Quasikristallen – besonders bei Stahl – außergewöhnlich stabile Strukturen herstellen lassen, setzt sie die Industrie derzeit versuchsweise bei der Entwicklung neuartiger Produkte ein, von Bratpfannen bis Dieselmotoren. Kürzlich wurde in Russland mit dem Mineral Icosahedrit sogar ein natürlich vorkommender Quasikristall entdeckt.

Nobel-Stiftung / KVA / Oliver Dreissigacker

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SJ

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