04.10.2017

Chemie-Nobelpreis: Gefrorene Biomoleküle hochaufgelöst abbilden

Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson erhalten den Chemie-Nobelpreis 2017 für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie.

Die Geheimnisse von Biomolekülen wie Proteinen oder Viren lassen sich am besten entschlüsseln, wenn es hochaufgelöste dreidimensionale Bilder von ihrer Struktur gibt. Bis ein allgemein anwendbares, einfaches Verfahren vorlag, haben drei Forscher mit ihren Arbeitsgruppen über Jahrzehnte die Grundlagen der Kryo-Elektronenmikroskopie entwickelt und verbessert. Dafür zeichnet die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson mit dem Nobelpreis für Chemie 2017 aus.

Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson (von links) teilen sich den diesjährigen Chemie-Nobelpreis (Fotos: EMBL, Columbia University und Royal Society)

Richard Henderson (geboren 1945 in Edinburgh) versuchte nach seiner Promotion (1969, Cambridge University) die Struktur von Proteinen mithilfe von Röntgenkristallographie darzustellen. Dabei scheiterte er immer wieder daran, ausreichende Mengen der Proteine aus ihrer natürlichen Umgebung zu extrahieren oder sie in ihrer natürlichen Struktur zu kristallisieren. Daher verfiel er auf die Idee, als bildgebendes Verfahren die Elektronenmikroskopie einzusetzen. Bereits 1975 gelang es ihm, das Protein Bacteriorhodopsin mit einer Auflösung von 7 Ångström darzustellen. Dabei half ihm eine Besonderheit dieses Proteins, das in Halobakterien die Energie der Sonnenstrahlung einfängt: Es ist im Organismus so regelmäßig angeordnet, dass es für die Untersuchung nicht extrahiert werden muss. In den folgenden Jahren nutzte Henderson die immer besser werdende Technik von Elektronenmikroskopen aus, um schließlich 1990 die Struktur von Bacteriorhodopsin mit atomarer Auflösung darzustellen.

Um die Elektronenmikroskopie allgemein als bildgebendes Verfahren für Biomoleküle zu etablieren, waren aber noch die Arbeiten von Joachim Frank und Jacques Dubochet notwendig. Joachim Frank (geboren 1940 in Siegen; Promotion 1970 an der TU München) suchte nach einem Algorithmus, um aus den Aufnahmen tausender verschieden orientierter Proteine ein gemitteltes Bild besserer Auflösung zu erzeugen. Dazu entwickelte er am New York State Department of Health ein Computer-Programm, das zunächst die Bilder in Gruppen gleicher Orientierung einsortiert und daraus einzelne hochaufgelöste zweidimensionale Bilder erzeugt. Im nächsten Schritt berechnet das Programm aus den zweidimensionalen Bildern die dreidimensionale Struktur des Biomoleküls. Mitte der 1980er-Jahre gelang es ihm damit, die Oberfläche eines Ribosoms hochaufgelöst darzustellen.

Das Problem der Probenpräparation ging Jacques Dubochet (geboren 1942 in Aigle, Schweiz; Promotion 1973 in Basel und Genf) an: Er wollte verhindern, dass die Proben durch Evaporation austrocknen, wenn sie dem Vakuum des Elektronenmikroskops ausgesetzt werden. Dazu entwickelte er eine Methode, die das Wasser in der Probe so schnell abkühlt, dass es im Glaszustand vorliegt. Dadurch entsteht bei der Aufnahme ein gleichmäßiger Untergrund, der die Auflösung nicht stört. Außerdem schützt das glasförmige Wasser die Struktur des Biomoleküls während der Aufnahme. 1984 veröffentlichte Dubochet die ersten Bilder verschiedener Viren.

Die Kryo-Elektronenmikroskopie hat in den letzten Jahren zu einer deutlich besseren Auflösung geführt: von formlosen Blasen bis zur atomaren Struktur von Proteinen. (Bild: Martin Högbom / The Royal Swedish Academy of Sciences)

Dennoch wurde die Kryo-Elektronenmikroskopie noch länger scherzhaft als „Blob-ologie“ bezeichnet, weil es meist nicht gelang, die atomare Struktur der Biomoleküle sichtbar zu machen. Richard Henderson hielt aber an der Vision fest, dass es sich dabei um ein zukünftiges Standardverfahren handeln sollte. Damit behielt er recht: Die Auflösung verbesserte sich kontinuierlich, und 2013 gelang schließlich der Durchbruch mit einem neuen Typ von Elektronendetektoren. Seither zeigen die Aufnahmen faszinierende Details der Struktur noch so komplexer Biomoleküle.

Zum Einsatz kommt die Kryo-Elektronenmikroskopie beispielsweise, wenn auf der Membran von Proteinen ein Angriffspunkt für Medikamente gesucht wird. Oder wenn es darum geht, die Struktur eines Virus zu verstehen, um Impfstoffe zu entwickeln, wie unlängst im Fall des Zika-Virus.

Kerstin Sonnabend

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