Chemische Dynamik in Zeitlupe
Molekulare Konversion in Benzolring auf Femtosekunden-Zeitskala aufgelöst.
Die Beobachtung der entscheidenden ersten Femtosekunden in einer photochemischen Reaktion erfordert experimentelle Techniken, die sich nicht im typischen Arsenal der Femtosekundenchemie finden. Solch schnelle Dynamik kann aber nun mit den Instrumenten der Attosekundenforschung untersucht werden. Nun haben Forscher am Max-Born-
Abb.: Experimentell gemessenes C4H3+ Fragmentsignal als Funktion der Zeitverzögerung zwischen Pump- und Abfragepuls (rote Punkte). Die kleine Abbildung rechts oben zeigt eine Messung über eine lange Zeitverzögerung. (Bild: J. Mikosch, MBI Berlin)
Als Horst Köppel im Jahr 1987 seinen ersten wissenschaftlichen Artikel über das ionische Benzolmolekül publiziert hat, war Martin Galbraith gerade erst auf der Welt. Köppel, Professor in Heidelberg, hatte den perfekten Prüfstein für die bevorstehende Entwicklung einer neuen theoretischen Methode, der zeitaufgelösten Vielfach-
Das in unserer Umgebung allgegenwärtige Benzolmolekül, dessen Rückgrat aus einem Ring von sechs Kohlenstoffatomen besteht, stellte sich als der perfekte Kompromiss zwischen Komplexität und chemischer Relevanz heraus. Daher haben die Theoriespezialisten aus Heidelberg dieses Molekül immer genauer untersucht und über die Jahre mehr als dreißig Publikationen geschrieben, während sie ihre Technik zu einem aktuellen Hilfsmittel der theoretischen Chemie entwickelten, die nun von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt genutzt wird. Eine entscheidende Sache war aber bislang nicht erreichbar: Die Bestätigung der theoretischen Resultate durch ein zeitaufgelöstes Experiment. Die vorhergesagte Dynamik war einfach zu schnell, auf einer Zeitskala von etwa zehn Femtosekunden.
Während seiner Doktorarbeit am Max-Born-Institut hat Martin Galbraith zusammen mit anderen nun die experimentellen Auflösungsgrenzen so weit verschoben, dass Messungen der extrem schnellen Dynamik im Benzolmolekül technisch möglich wurden. „Die Entwicklung von Laserpulsen mit wenigen optischen Zyklen und die Erzeugung von Attosekundenpulszügen mit nur wenigen Bursts hat es uns erlaubt, ein photochemisches Experiment mit ungeahnter Zeitauflösung zu entwickeln“, sagt Jochen Mikosch, Leiter der Studie.
Forscher im Bereich von Direktor Marc Vrakking verwendeten einen speziellen spektralen Filter in ihren Experimenten, der es ermöglicht, eine definierte Superposition von elektronischen Zuständen im Benzolmolekül zu erzeugen. Damit konnten sie extrem kurze Lebensdauern messen, die sich im Rahmen eines Populationstransfers durch zwei konische Überschneidungen hindurch interpretieren ließen. Konische Überschneidungen werden oft als molekulare Trichter beschrieben, in denen sich verschiedene Potentialflächen berühren. Diese Punkte sind von besonderem Interesse, da die normalerweise sehr verschiedenen Zeitskalen der elektronischen und nuklearen Bewegung in einem Molekül dort vergleichbar sind. Konische Überschneidungen spielen eine wichtige Rolle in biochemischen Prozessen, wie etwa der Stabilität von DNA gegen die UV-Strahlung der Sonne und in den ersten Schritten des Sehens bei Tier und Mensch.
Die nun vorgelegte wissenschaftliche Studie resultiert aus einer Zusammenarbeit der MBI-
Molekulare Dynamik an konischen Überschneidungen spielt eine zentrale Rolle in vielen Schlüsselfeldern der modernen Chemie. Dabei sind oft die ersten Femtosekunden von entscheidender Bedeutung, die bislang nicht experimentell zu fassen waren. Daher ist Jochen Mikosch zuversichtlich, was die weitere Zukunft der nun entwickelten experimentellen Technik anbelangt, und zieht das Fazit: „Indem wir einen der schnellsten internen Konversionsprozesse in einem Molekül überhaupt beobachten konnten, haben wir ein neues Feld geöffnet, das uns Wege zur Kontrolle elektronischer Dynamik in komplexen Molekülen ebnen wird.“
FVB / DE










