09.07.2018

Chirale magnetische Schwimmer

Neue Art magnetischer Wirbel könnte Skyrmionen ergänzen.

Winzig kleine magnetische Wirbel werden seit einiger Zeit intensiv erforscht. Skyrmionen gelten als viel­versprechende Kandidaten für besonders platz- und energie­sparende Daten­speicher. Wissenschaftler des Forschungs­zentrums Jülich haben nun eine weitere Klasse von magnetischen Objekten experimentell nach­gewiesen, die sich ebenfalls wie Partikel verhalten. Sie könnten die Entwicklung der Daten­speicher einen großen Schritt voranbringen. Wenn Skyrmionen die „1“ codieren, dann könnten sie die bislang fehlende „0“ sein. Die flachen drei­dimensionalen Strukturen treten an der Ober­fläche spezieller Legierungen auf und werden von den Forschern auch als „chiral magnetic bobbers“, auf Deutsch „chirale magnetische Schwimmer“, bezeichnet.

Abb.: Abfolge von „magnetischen Schwimmern“ (vorne) und Skyrmionen (weiter hinten) für die Informations­speicherung (Bild: FZJ / N. Kiselev)

„Für eine lange Zeit waren Skyrmionen die einzigen bekannten Forschungs­objekte im Bereich der sogenannten chiralen Magnete. Mit den ‚magnetischen Schwimmern‘ kommt jetzt eine weitere Klasse hinzu, die über eine Reihe einzig­artiger Eigenschaften verfügt“, freut sich Nikolai Kiselev vom Jülicher Peter-Grünberg-Institut (PGI-1). Vor drei Jahren hatte er gemeinsam mit Instituts­direktor Stefan Blügel und weiteren Forschern die Existenz dieser neuen Klasse von magnetischen Objekten theoretisch vorher­gesagt. Nun wiesen Jülicher Spezialisten auf dem Gebiet der Elektronen­mikroskopie ihre Existenz erstmals experimentell nach.

Die Stabilität von Skyrmionen und diesen neu­artigen magnetischen Strukturen hängt zusammen mit der Chiralität. Die Strukturen sind zudem sehr klein. Ihr Durch­messer beträgt typischer­weise nur einige zehn Nanometer. Daten lassen sich mit ihnen daher sehr dicht auf einem Speicher­chip zusammenpacken.

„Die Beobachtung von derart winzigen magnetischen Texturen ist nur mit speziellen Techniken möglich, die nur in wenigen Labors welt­weit verfügbar sind", erklärt Rafal Dunin-Borkowski, Direktor am Ernst-Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektro­skopie mit Elektronen.

„Magnetische Schwimmer“ und Skyrmionen sind, abgesehen von ihrer Größe, noch aus einem anderen Grund für Anwendungen interessant. Sie sind beweglich. Das unterscheidet sie von Daten-Bits auf einer Fest­platte. Skyrmionen und andere magnetische Solitonen lassen sich durch schwache elektrische Strom­stöße entlang einer vorgegebenen Strecke auf einem Chip verschieben. Damit ergeben sich völlig andere Möglichkeiten für die Realisierung magnetischer Solid-State-Speicher, etwa nach dem Konzept des Skyrmionen-Racetrack-Memory.

„Mit beweglichen Skyrmionen können Daten von Schreib- zu Lese­elementen wandern, ohne dass dafür bewegliche Teile wie Lese- und Schreib­köpfe oder eine rotierende Hard Disk nötig wären“, erklärt Nikolai Kiselev. Das spart Energie. Denn bewegliche Komponenten benötigen in der Regel mehr Strom und Platz und sind auch anfälliger gegenüber mechanischen Stößen und Vibrationen.

Die neu entdeckten magnetischen Strukturen ermöglichen es nun, digitale Daten direkt mit zwei verschiedenen Arten von magnetischen Objekten, nämlich mit Skyrmionen und „magnetischen Schwimmern“, zu codieren. „Bisher ging man davon aus, dass die Daten irgendwie als Folge von Skyrmionen und Leerstellen dargestellt werden“, erläutert Stefan Blügel. Um neben der „1“ auch die „0“ repräsentieren zu können, wird neben den schon länger bekannten Skyrmionen ein weiterer Informations­träger benötigt. Das kann etwa der Abstand zwischen aufeinander­folgenden Skyrmionen sein. Damit durch spontane Drift­bewegungen der Skyrmionen keine Information verloren geht, müsste deren Position auf irgendeine Art ein­gegrenzt oder quantisiert werden. Bei der direkten Codierung mit zwei verschiedenen Objekten können sich diese dagegen relativ frei bewegen, ohne präzise Abstände einzuhalten zu müssen.

Für den Weg in die Praxis ist noch weitere Forschung nötig. Nikolai Kiselev und seine Kollegen haben die neuartigen Strukturen in einer Eisen-Germanium-Legierung nachgewiesen. Darin sind sie nur bis 200 Kelvin, das entspricht 73,5 Grad Celsius, stabil. Aus theoretischen Überlegungen lässt sich jedoch vorhersagen, dass die neuartigen Wirbel auch in in anderen Material­kombinationen vorkommen; möglicherweise auch bei Raum­temperatur, wie einige Arten von Skyrmionen, die erst kürzlich entdeckt wurden.

FZJ / DE

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