Cliffhanger auch für die Forschung
Die "Steuerklippe" bedroht nicht nur die Zahlungsfähigkeit der Vereinigten Staaten, sondern auch die US-Forschung.
Am 1. Januar hat der US-Kongress in letzter Minute ein Gesetz verabschiedet, mit dem die USA die drohende „Steuerklippe“ umschiffen konnten. Sie hätte eine generelle Kürzung der staatlichen Ausgaben um 1200 Milliarden Dollar innerhalb von zehn Jahren sowie Steuererhöhungen gebracht, was womöglich eine weltweite Rezession ausgelöst hätte. Doch eine Entwarnung wäre verfrüht, da schon für den 1. März die nächste Klippe aufragt und erneut automatische Einschnitte („Sequestration“) in den US-Haushalt drohen.
Für die zivile Forschung und Entwicklung (F&E) brächte dies Ausgabenkürzungen um 8,2 Prozent, die sich im Laufe von fünf Jahren auf 29,5 Milliarden Dollar summieren würden. Da alle Haushaltsposten in gleicher Weise gekürzt würden, könnten die staatlichen Forschungsförderorganisationen die knapperen Mittel nicht zwischen verschiedenen Programmen umschichten, um das Schlimmste zu verhindern. Nach Berechnungen des Office of Management and Budget (OMB) verlöre die National Science Foundation (NSF) 463 Millionen Dollar im Jahr, wodurch unter anderem etwa 1500 Projektförderungen wegfielen. Die NASA könnte für Wissenschaft und für Erkundung 417 bzw. 309 Millionen Dollar weniger ausgeben, und das Office of Science des Department of Energy müsste 400 Millionen Dollar einsparen.
Angesichts dieser Einschnitte beklagt das OMB, die Sequestration sei ein rücksichtsloses Mittel und nicht der verantwortungsvolle Weg zur Verringerung des Haushaltsdefizits. Die American Association for the Advancement of Science wies darauf hin, dass nahezu alle nationalen Prioritäten der USA, wie Gesundheit, Verteidigung, Landwirtschaft oder Umweltschutz, auf die Wissenschaften angewiesen sind. Die automatischen Kürzungen der F&E-Ausgaben würden diese Prioritäten bedrohen. Darüber hinaus gefährden sie die Konkurrenzfähigkeit der US-Industrie, zumal China seine F&E-Ausgaben stetig erhöht. Auf den neuen Finanzminister Jack Lew warten enorme Herausforderungen.
Als neuen Finanzminister hat US-Präsident Barack Obama am 10. Januar Jack Lew (Mitte) nominiert, der Timothy Geithner ablöst. (Foto: White House / Chuck Kennedy)
Die Sequestration ließe sich abwenden, wenn sich der US-Kongress vor dem 1. März über die erforderlichen Kürzungen einigen könnte. Doch davon ist man weit entfernt. Kompliziert wird die Sache dadurch, dass sich die Steuerverhandlungen im Kongress mit den Beratungen über den Staatshaushalt für 2013 überschneiden. Da sich die Senatoren und Abgeordneten im vergangenen Jahr nicht auf einen Haushalt einigen konnten, blieben die Ausgaben für 2013 automatisch auf dem Vorjahresniveau. Doch am 27. März läuft diese Regelung aus. Sollte der Kongress bis zu diesem Termin keinen Haushalt verabschieden, droht vielen US-Behörden eine Zwangspause.
Zudem werden die USA bis dahin die gegenwärtige Schuldenobergrenze von 16500 Mrd. $ erreichen. Kann sich der Kongress nicht zu einer Erhöhung der Obergrenze durchringen, so könnte das zur Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung führen. Diese Abfolge von entscheidenden Terminen könne den Ausgabenkürzungen zusätzlichen Schwung geben, warnte ein Sprecher der American Physical Society. Andererseits eröffne sich aber auch die Möglichkeit, eingehender über Art und Umfang der Einsparungen zu diskutieren.
Die Wissenschaft dürfte wohl kaum ungeschoren davonkommen, doch möglicherweise fallen die Kürzungen in diesem Bereich nicht so schlimm aus wie ursprünglich befürchtet. Man erwartet, dass US-Präsident Obama mit seinem Haushaltsentwurf für 2014 die Forschungsausgaben von den Kürzungen ausnimmt. Ob ihm aber die steuer-konservativen Republikaner darin folgen, ist fraglich. Sie glauben, dass zunächst alle Staatsausgaben – auch die für die Forschung – schrumpfen müssen, bevor es in den USA wirtschaftlich wieder aufwärts geht.
Rainer Scharf