Dämmerung auf Exoplanet
Erstmals Abend- und Morgenspektrum eines Exoplaneten getrennt gemessen.
Eine Forschungsgruppe, der auch Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) angehören, hat nun bestätigt, was Modelle bereits vorhergesagt haben: Ein Exoplanet weist Unterschiede zwischen seiner Morgen- und Abendatmosphäre auf, die sich in unterschiedlichen Temperaturen und Wolkenbedeckungen äußern. Die Ergebnisse folgen aus Infrarotbeobachtungen des Gasriesenplaneten WASP-39 b mit dem Weltraumteleskop James Webb (JWST). Der Planet befindet sich in einer gebundenen Rotation zu seinem Mutterstern, was zu fortwährenden Tag- und Nachtseiten führt. Eine Hälfte des Planeten ist immer seinem Stern zugewandt, während die andere in Dunkelheit gehüllt ist.
Mit Hilfe von JWSTs NIRSpec (Near-Infrared Spectrograph) bestätigten die Astronomen einen Temperaturunterschied zwischen den Morgen- und den Abendzonen, wobei der Abend um etwa 200 Grad Celsius heißer zu sein scheint. Sie fanden auch Hinweise darauf, dass der Morgen stärker bewölkt als der Abend sein könnte.
„Zum ersten Mal ist es gelungen, ein direktes Abend- und Morgenspektrum eines Exoplaneten getrennt zu messen“, sagt Maria Steinrück, Astronomin an der Universität Chicago (USA), die während ihrer Tätigkeit am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg (Deutschland) an der Untersuchung mitwirkte. Sie ist auch Mitautorin des zugrunde liegenden Artikels in Nature. „Diese Methode kann beim Verständnis des Klimas von Exoplaneten sehr hilfreich sein.“
Die Abweichung der Signale, die das Teleskop aus beiden Regionen empfing, ist winzig. Möglich ist die Trennung dieser Unterschiede nur aufgrund der Empfindlichkeit von JWST und NIRSpec im nahen Infrarotbereich und der extrem stabilen Sensoren des Instruments. „Jede noch so kleine Bewegung im Instrument oder mit dem Teleskop während der Datenerfassung hätte die Fähigkeit zu dieser Entdeckung stark eingeschränkt. Sie muss außerordentlich präzise sein, und Webb bietet genau das“, so Néstor Espinoza, Exoplanetenforscher am Space Telescope Science Institute (STScI) und der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, und Hauptautor der Studie.
Zuvor veröffentlichte Daten der Atmosphäre von WASP-39b, die mit dem JWST gewonnen wurden, zeigten Anzeichen von Kohlendioxid, Schwefeldioxid, Wasserdampf und Natrium entlang der gesamten Tag-Nacht-Grenze. Eine genaue Unterscheidung zwischen der einen und der anderen Seite wurde nicht versucht. Die Fähigkeit, eine so reichhaltige chemische Zusammensetzung zu erkennen, war bereits für sich genommen bahnbrechend.
Damals analysierten die Astronomen das zwei bis fünf Mikrometer reichende Transmissionsspektrum von WASP-39 b. Mit dieser Technik wird der Terminator des Exoplaneten untersucht, die Grenze, die die Tag- und Nachtseiten des Planeten voneinander trennen. Bei den Beobachtungen wird ein Transmissionsspektrum erstellt, indem das Sternenlicht, das durch die Atmosphäre des Planeten gefiltert wird, während er sich vor dem Stern bewegt, mit dem ungefilterten Sternenlicht verglichen wird, das gemessen wird, wenn sich der Planet neben dem Stern befindet. Durch diesen Vergleich erhalten die Forscher Informationen über die Temperatur, die Zusammensetzung und andere Eigenschaften der Atmosphäre des Planeten. Die aufgeblähte Atmosphäre von WASP-39 b trägt dazu bei, dass das Sternenlicht effizient mit Atomen und Molekülen wechselwirkt, wodurch ein ziemlich starkes, gefiltertes Signal entsteht.
Die Auswertung der neuen Daten geht nun einen Schritt weiter und liefert zwei unterschiedliche Spektren aus der Grenzregion, wodurch die Tag-Nacht-Grenze im Wesentlichen in zwei Halbkreise aufgeteilt wird, einen für den Abend und einen für den Morgen. Aus den Daten geht hervor, dass der Abend mit 800 Grad Celsius deutlich heißer und der Morgen mit 600 Grad Celsius relativ kühler ist.
„Es gab bereits ähnliche Versuche, die morgendlichen und abendlichen Übergangszonen mit bodengebundenen Teleskopen zu beobachten. Störungen durch die Erdatmosphäre machen jedoch einen Großteil der spektralen Informationen zunichte“, erklärt Steinrück.
Eine umfangreiche Datenmodellierung ermöglichte es den Forschern auch, die Zusammensetzung der Atmosphäre von WASP-39 b und ihre Wolkenbedeckung zu untersuchen, und gibt Hinweise darauf, warum der Abend heißer ist. Während das Team in Zukunft untersuchen wird, wie sich die Wolkenbedeckung auf die Temperatur auswirkt und umgekehrt, bestätigten die Astronominnen und Astronomen die Gaszirkulation um den Planeten als Hauptursache für die Temperaturunterschiede auf WASP-39 b.
Bei einem stark bestrahlten Exoplaneten wie WASP-39 b, der relativ nahe um seinen Stern kreist, erwarten die Forscher im Allgemeinen, dass sich das Gas bewegt, wenn der Planet um seinen Stern kreist: Heißeres Gas von der Tagseite sollte sich über einen starken äquatorialen Jetstream durch den Abend zur Nachtseite bewegen. Da der Temperaturunterschied so extrem ist, wäre auch der Luftdruckunterschied erheblich, was wiederum hohe Windgeschwindigkeiten verursachen würde.
Mit Hilfe von generalisierten Strömungsmodellen (General Circulation Models), dreidimensionalen Modellen ähnlich denen, die zur Vorhersage des Wetters auf der Erde verwendet werden, fand das Team tatsächlich heraus, dass sich die vorherrschenden Winde auf WASP-39 b von der Nachtseite über den Morgenterminator, um die Tagseite, über den Abendterminator und dann erneut um die Nachtseite bewegen. „Die neuen Ergebnisse sind von entscheidender Bedeutung für die Verfeinerung unserer Computermodelle von Exoplanetenatmosphären“, erklärt Steinrück, die das Team zur Berechnung der Klimamodelle leitete und die Modellspektren für die Interpretation der Beobachtungen erstellte.
„Dieses Ergebnis ist ein großer Schritt zur Messung der vollständigen dreidimensionalen Struktur eines Exoplaneten”, sagt Laura Kreidberg, Direktorin der Abteilung für Atmosphärenphysik von Exoplaneten (APEx) am MPIA, Steinrücks früherer Arbeitsstätte. „Computersimulationen von Maria Steinrück waren entscheidend für die Erstellung eines physikalischen Verständnisses der komplexen Daten. Ihre Arbeit hat gezeigt, dass der Unterschied zwischen Morgen und Abend auf dem Planeten durch heftige Winde erklärt werden kann, die heiße Luft von der Tagseite zur Nachtseite zirkulieren lassen und Wolken von der Nachtseite zur Tagseite blasen. Mit Geschwindigkeiten von rund 10.000 Kilometern pro Stunde oder mehr sind diese Winde viermal schneller als die auf Neptun, dem windigsten Planeten in unserem Sonnensystem”, fügt Kreidberg hinzu, die auch Mitautorin des Artikels ist.
„Diese Analyse ist auch deshalb besonders interessant, weil man 3D-Informationen über den Planeten erhält, die man vorher nicht bekommen hat“, fügt Espinoza hinzu. „Da wir nun wissen, dass der abendliche Bereich heißer ist, bedeutet das, dass er ein wenig stärker aufgebläht ist. Theoretisch gibt es also eine kleine Wölbung am Terminator, die sich der Nachtseite des Planeten nähert.“
Im Rahmen des JWST Cycle 2 General Observers Program 3969 wollen die Forscher die gleiche Analysemethode anwenden, um atmosphärische Unterschiede bei anderen heißen Jupitern in gebundener Rotation zu untersuchen.
MPIA / DE