Das Higgs-Teilchen und der Ursprung der Masse
Neue Ausgabe von Physik konkret.
In den letzten Jahrzehnten hat die Physik ein überaus erfolgreiches Modell für die Bausteine der Welt und die Kräfte zwischen ihnen geschaffen. Die Suche nach dem fehlenden, letzten Baustein dieses Modells, dem Higgs-Teilchen, bewegt nicht nur die naturwissenschaftliche Gemeinschaft, sondern auch die breite Öffentlichkeit. Anlässlich der heute am CERN verkündeten Nachricht befasst sich das aktuelle Physik konkret mit dem Thema „Das Higgs-Teilchen und der Ursprung der Masse“.
Abb.: Physik konkret mit dem Thema „Das Higgs-Teilchen und der Ursprung der Masse“ (DPG)
Peter Higgs und andere Physiker führten 1964 das Higgs-Feld ein, das im gesamten Universum gleichermaßen vorhanden ist. Die ursprünglich masselosen Austauschteilchen interagieren mit dem Higgs-Feld und erlangen so ihre Masse. Das Higgs-Feld ist nicht direkt messbar, aber durch seine Existenz muss es mindestens ein weiteres Elementarteilchen geben, das Higgs-Boson. Dieses Teilchen ist elektrisch neutral und zerfällt sehr schnell. Aus früheren Experimenten wissen wir bereits, dass seine Masse mehr als 120mal der Protonmasse sein müsste. Higgs-Teilchen sind der letzte fehlende Baustein des Modells: Ihre Entdeckung ist zwingend nötig, wenn das Modell die Natur beschreiben soll. Andererseits, zieht man diesen Baustein heraus, bricht das gesamte Gebäude zusammen.
Um Higgs-Teilchen zu erzeugen, werden im Large Hadron Collider (LHC) am CERN Protonen mit vorher nie erreichten Energien von 4 TeV zur Kollision gebracht. In einer Minute finden Milliarden von Reaktionen statt, bei denen meist nur ein einziges Mal ein Higgs-Teilchen produziert wird. Dieses zerfällt in kürzester Zeit und kann daher nur über seine Zerfallsprodukte identifiziert werden, wie z. B. den Zerfall in zwei Z-Bosonen. Die wiederum können in je zwei Myonen zerfallen, die schweren Partner des Elektrons. Ein solches Zerfallsereignis ist in der Abbildung dargestellt.
Der LHC lief in den Jahren 2011 und 2012 extrem erfolgreich. So konnten die Experimente ATLAS und CMS – unabhängig voneinander und trotz unterschiedlicher Messmethoden – bei einer aus den Zerfallsprodukten berechneten Masse von etwa 134mal der Protonmasse (entspricht mc² = 126 GeV) signifikant mehr Ereignisse beobachten, als man durch reinen Untergrund erwartet. Dies impliziert die Beobachtung eines neuen Teilchens, konsistent mit dem Higgs-Teilchen. Diese Beobachtung muss nun noch durch weitere Analysen bestätigt werden.
Jetzt müssen die Teilchenphysiker beweisen, dass das entdeckte Objekt tatsächlich das mit dem Phänomen Masse im Universum verknüpfte HiggsTeilchen ist. Dazu untersucht man, ob die Wahrscheinlichkeit, dass das HiggsTeilchen in bestimmte Teilchen zerfällt, von deren Masse abhängt: Je schwerer, desto häufiger. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die bis Jahresende von beiden Experimenten aufgenommenen Daten (etwa doppelt so viel wie jetzt) ausreichen werden, diesen Beweis zu liefern. Durch eine experimentelle Bestätigung des Higgs-Mechanismus bekommen auch die Elektronen und Quarks eine – wenn auch kleine – Masse. Basierend auf dieser kleinen Masse werden dann durch die starke Wechselwirkung die restlichen 99 Prozent der Protonmasse erzeugt.
Mit dem kostenlosen Faktenblatt Physik konkret möchte sich die DPG mit ihrer Expertise in die dringend gebotene öffentliche Diskussion einbringen. Das aktuelle Fakten blatt wie auch alle vorherigen gibt es zum kostenfreien Download.
DPG / OD