26.02.2009

Das Maß der Riesendünen

Kilometergroße Sanddünen werden durch die Schichtung der Atmosphäre beeinflusst



Kilometergroße Sanddünen werden durch die Schichtung der Atmosphäre beeinflusst


Mit ihren geschwungenen Formen und scharfen Graten haben Sanddünen einen eigenartigen ästhetischen Reiz. Man findet sie vor allem an den Küsten und in den Wüsten der Erde. Doch auch auf dem Mars hat man sichelförmige Wanderdünen oder Barchane beobachtet, die allerdings wegen der geringen Dichte der Marsatmosphäre nur extrem langsam vorankommen. Während man Entstehung und Bewegung kleinerer Dünen inzwischen gut versteht, geben die kilometergroßen wellen- oder sternförmigen Riesendünen noch immer Rätsel auf. So ist unklar, wie sie sich bilden und wodurch ihre Größe beschränkt wird. Jetzt haben Forscher aus Frankreich und Algerien beobachtet, dass die Riesendünen von der Schichtung der Atmosphäre beeinflusst werden.



Abb.: Querlaufende Riesendünen in der Atlantischen Sahara (Bild: Bruno Andreotti et.al.)


Damit eine Düne entsteht, muss der Wind den lockeren feinkörnigen Sand mit sich reißen. Bei Korngrößen von 100 µm bis 300 µm kommt es zur „Saltation“: Kleinere Luftwirbel heben die Körner von einer Sandoberfläche hoch und bringen sie in Bereiche mit größerer Windgeschwindigkeit, wo sie beschleunigt werden. Wenn sie schließlich wieder auf die Oberfläche prallen, können sie weitere Sandkörner losschlagen, sodass es zu einer Kaskade von Saltationen kommt. Der Sandtransport findet in einer 5 bis 20 cm dicken Schicht über der Oberfläche statt. Er verändert das Oberflächenprofil, was wiederum auf die Luftströmung und den Transport zurückwirkt. Es entsteht ein Hügel, in dessen Windschatten sich der Sand fängt und ablagert. Hat der windabgewandte Hang einen kritischen  Neigungswinkel erreicht, so rutscht der Sand ab und es entsteht eine scharfe Kante.

Auf diese Weise kann man die Entstehung von Dünen mit einer Größe von einigen 10 Metern erklären und ihre Wandergeschwindigkeit berechnen. Unklar blieb jedoch, wieso sich Riesendünen über mehrere Kilometer erstrecken können und wodurch ihr gegenseitiger Abstand bestimmt wird. Bruno Andreotti vom Laboratoire de Physique et Mécanique des Milieux Hétérogènes in Paris und seine Kollegen haben einen interessanten Zusammenhang zwischen der Größe von Riesendünen und der Dicke der atmosphärischen Randschicht über der Sandoberfläche beobachtet und mit numerischen Simulationen bestätigt.

Wie die Beobachtungen zeigten, war in den Wintermonaten die Sonnenstrahlung in der Regel zu schwach, um die Atmosphäre über dem Wüstenboden in Konvektionsbewegung zu bringen. Die Luft war schon vom Boden ab stabil geschichtet. In den wärmeren Jahreszeiten wurde die Schichtung hingegen instabil und es kam in einer 2 bis 6 km dicken Schicht zu Konvektion und Turbulenz – und damit zum Transport des Sandes. Oberhalb dieser Randschicht war die Atmosphäre wieder stabil geschichtet. Als die Forscher für zahlreiche Riesendünen in verschiedenen Wüsten die typische Ausdehnung der Dünen gegen die mittlere Dicke der atmosphärischen Randschicht auftrugen, stellten sie einen linearen Zusammenhang fest. Die Schichtdicke gab den Dünen gewissermaßen ihren Größenmaßstab vor.

Bei den Wüstenexpeditionen sowie bei numerischen Berechnungen fanden die Forscher, dass die freie Oberfläche der Randschicht in wellenförmige Bewegungen geraten konnte. Dies wirkte auf die Luftströmung über dem Wüstensand zurück. Konnten auf diese Weise Resonanzen entstehen, die Wellenmuster mit einer bestimmten charakteristischen Länge heranwachsen ließen? Eine lineare Stabilitätsanalyse brachte nicht das gewünschte Ergebnis. Demnach hatte die freie Oberfläche der Randschicht eine stabilisierende Wirkung auf die Luftströmung über dem Wüstensand.

Als die Forscher aber nichtlineare Effekte berücksichtigten, stellten sie fest, dass die Randschicht tatsächlich Dünen einer bestimmten Größe heranwachsen ließ und stabilisierte. Dabei erreichten Dünen, die etwa doppelt so lang waren wie die Dicke der Randschicht, die größte Höhe. Riesendünen wuchsen dadurch heran, dass sie mit kleineren Dünen verschmolzen, die auf ihnen laufend neu entstanden. Ab einer bestimmten Dünengröße wurde das weitere Wachstum jedoch gehemmt, da die Wellen in der freien Oberfläche der atmosphärischen Randschicht und die Form des entstandenen Dünenfeldes nicht länger in Einklang waren und sich gegenseitig verstärken konnten. Auch in Flüssen mit einem Sandbett können Sanddünen entstehen. Hier spielt das Wasser die Rolle der atmosphärischen Randschicht. Die auf der Wasseroberfläche auftretenden stehenden Wellen wirken dann auf die Strömung über dem Sandbett zurück, sodass es auch hier zur Bildung von „Riesendünen“ kommt.

Rainer Scharf


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