10.05.2013

Das Web als Hörsaal

Ein Wettbewerb des Stifterverbandes sucht die besten zehn Online-Vorlesungen. Jeder kann sich bis 23. Mai an der ersten Abstimmung beteiligen.

Schon mal etwas von MOOC gehört? Das Akronym steht für „Massive Open Online Course“ und bezeichnet eine spezielle Form von kostenlosen, frei zugänglichen Onlinekursen, die über ein schlichtes Video einer Vorlesung hinausgehen. Vielmehr verbergen sich dahinter Lehr-Clips, die meist mit Multiple-Choice-Fragen kombiniert sind, damit die Teilnehmer ihren Lernfortschritt kontrollieren können. Zusätzlich integrierte Diskussionsforen bieten den Teilnehmern die Möglichkeit, gemeinsam offene Fragen zu klären, gegenseitig ihr Wissen zu testen oder Fragen an die Dozenten zu richten. MOOCs benötigen keinen großen Hörsaal, aber eine leistungsfähige Internetverbindung, und sollen Hochschulbildung breiteren Schichten zugänglich machen.

Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat mit der MOOC-Plattform einen Wettbewerb ausgelobt, um aus den rund 200 Vorschlägen aus 20 Ländern die zehn vielversprechendsten auszuwählen. Das Preisgeld von jeweils 25.000 Euro dient zur Produktion der Online-Lehrveranstaltungen. Zusätzlich erhalten die Preisträger eine individuelle Beratung bei der Umsetzung ihres Kurskonzepts. Bis zum 22. Mai hat jeder die Gelegenheit, über Facebook oder per E-Mail für seinen favorisierten MOOC abzustimmen. Die endgültige Entscheidung trifft Mitte Juni eine Jury aus Vertretern von Hochschulen, Wissenschaft und Politik. Unter den Bewerbern um die „MOOC-Stipendien“ sind auch Kurse aus der Physik, zu denen die folgenden Vorschläge zählen:

  • Im Online-Kurs „Komplexe Welt: Strukturen, Selbstorganisation und Chaos“ möchten Cornelia Denz und Stefan Heusler von der Universität Münster mit weiteren Kollegen vielfältige komplexe Systeme behandeln, bei denen – infolge von Selbstorganisation durch nichtlineare Wechselwirkungen – das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Beispiele sind das Gehirn, das Wetter, elektrische Schaltkreise, Computernetzwerke oder die Finanzmärkte.
  • Im MOOC „Order-of-magnitude physics: from atomic nuclei to the universe“ des Göttinger Kosmologen Jens Niemeyer geht es darum, zu lernen, wie sich vor jeder exakten Behandlung eines physikalischen Problems erste wichtige Erkenntnisse und Fingerzeige anhand von Größenabschätzungen, Überschlagsrechnungen oder Symmetrieüberlegungen ergeben können. Die diskutierten Beispiele sollen vom Atomkern bis zum gesamten Universum reichen.
  • Mit „PHYSIKvision“ möchte der Physiker Metin Tolan von der Universität Dortmund zusammen mit dem als Fernsehmoderator bekannten Professor für Fernseh- und Videojournalismus Michael Steinbrecher eine Physik-Grundvorlesung erstmals professionell produzieren und online stellen. Neben dem Vortrag des Dozenten sollen insbesondere Einspielfilme, Animationen, Zeitlupeneinstellungen von Experimenten und Aufnahmen aus mehreren Kameraperspektiven den Inhalt der Grundvorlesung zur klassischen Mechanik vermitteln.
  • Reinhard Stock von der Universität Frankfurt möchte in seinem Web-Kurs die „Geburt der Materie in der Evolution des Universums“ behandeln und damit insbesondere eine Aktualisierung des berühmten Buches „Die ersten drei Minuten“ (1976) von Steven Weinberg leisten.

Weltweit gibt es bereits umfangreiche Initiativen zum Lehren und Lernen im Web. Am 25. April startete das europäische MOOC-Portal OpenupEd mit 50 Online-Kursen von verschiedenen Partnern, im Wesentlichen offene Universitäten. Neben acht EU-Mitgliedsstaaten gehören auch Russland, Israel und die Türkei zu den Staaten, aus denen Bildungseinrichtungen bei OpenupEd teilnehmen. Deutsche Universitäten tragen derzeitig noch nicht dazu bei. Koordiniert wird die Initiative vom Europäischen Dachverband der Fernuniversitäten (EADTU).

In den USA haben das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und die Harvard University im Herbst 2012 das MOOC-Portal edX gegründet, dem sich mittlerweile zwölf renommierte Universitäten angeschlossen haben. Die Technische Universität und die Ludwig-Maximilians-Universität in München bieten seit Februar diesen Jahres vier Online-Kurse auf dem Portal des Anbieters „coursera“ an.

Neben dem Ziel, möglichst vielen Menschen den Weg zu einer Hochschulbildung zu ermöglichen, dürften MOOCs auch ein Zukunftsmarkt im Bildungssektor werden. Zwar sind die Kurse in der Regel kostenlos und frei im Web verfügbar, aber die Anbieter können sich über Examensgebühren, Zertifikaten für ECTS-Punkte, die sich auch bei MOOCs erwerben lassen könnten, und über Universitätslizenzen finanzieren. Neben dem Vorlesungsbetrieb könnte dann auch der Wettbewerb um die besten Dozenten im Web eine Fortsetzung finden.

Alexander Pawlak

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