Data Mining enthüllt Rekordpulsar
Mit einer ausgefeilten Analysemethode entdecken Astrophysiker einen Millisekundenpulsar, der zahlreiche Rekorde bricht.
Pulsare sind die kompakten Überreste von Explosionen massereicher Sterne. Manche von ihnen drehen sich mehrere hundert Mal innerhalb einer Sekunde um die eigene Achse und schicken dabei Strahlungsbündel ins All. Diese Millisekundenpulsare ließen sich bisher nur durch ihre Radiowellen aufspüren. Nun haben Forscher erstmals einen Millisekundenpulsar allein anhand seiner gepulsten Gammastrahlung entdeckt. Entscheidend für den Erfolg war eine neue Analysemethode.
Abb.: Das Rekord-Pulsarsystem PSR J1311-3430 mit dem ersten Millisekundenpulsar (stark vergrößert), der allein anhand seiner leuchtturmähnlichen Gammastrahlenkegel entdeckt wurde. Das Rekord-Pulsarsystem ist so klein, dass es vollständig in unserer Sonne Platz fände. (Bild: MPG, NASA)
Schon im Jahr 1994 waren Forscher im Sternbild Zentaur auf eine Quelle intensiver Gammastrahlung gestoßen. Sie vermuteten zwar, es stecke ein Pulsar dahinter, aber erst jetzt hat das Team um Holger Pletsch vom MPI für Gravitationsphysik in Hannover das Rätsel gelöst und den Millisekunden-Gammapulsar PSR J1311-3430 als Verursacher identifiziert. Dabei half den Wissenschaftlern eine neue Datenanalysemethode, denn die rasend schnell rotierenden Pulsare lassen sich extrem schwer finden.
Um einen Gammapulsar eindeutig nachzuweisen, müssen Astronomen mehrere Eigenschaften des Himmelskörpers sehr genau kennen. Hierzu zählen etwa seine Position, die Drehfrequenz sowie deren zeitliche Änderung. Gehört der Pulsar zu einem Doppelsternsystem, ist es noch komplizierter: Es kommen mindestens drei Bahnparameter hinzu, die ebenfalls zu bestimmen sind. Im Fall von PSR J1311-3430 hatten Astronomen den Begleitstern bereits mit optischen Methoden beobachtet. Auf diese Weise konnten sie die Bahnparameter des Doppelsternsystems teilweise abschätzen und die Position des Pulsars eingrenzen.
„Wir haben eine besonders effiziente Methode entwickelt, um die Gammadaten des NASA-Satelliten Fermi nach Millisekundenpulsaren zu durchsuchen, auch in Doppelsternsystemen. Nur so ließen sich weite Parameterbereiche sehr fein durchkämmen“, sagt Pletsch. „Das neue Verfahren versetzt uns erstmals in die Lage, quasi blind nach Gammapulsaren zu suchen – bis hin zu sehr hohen Rotationsfrequenzen.“ Die Wissenschaftler analysierten die Fermi-Daten auf dem Computercluster Atlas. „Wir haben Daten untersucht, die der Gammasatellit über einen Zeitraum von vier Jahren gesammelt hat. Bereits kurz nach Beginn der Analyse zeigte sich ein eindeutiges Signal in den Ergebnissen. Und was wir sahen, war sehr aufregend“, sagt Pletsch.
PSR J1311-3430 dreht sich rund 390-mal in der Sekunde um die eigene Achse und sendet dabei strahlförmig Gammaphotonen ins All. Etwa bei jeder millionsten Umdrehung erreicht eines dieser Strahlungsquanten den Detektor an Bord von Fermi. Das Gammasignal verrät den Astronomen aber auch vieles über den Begleiter des Pulsars: Die Bewegung im Doppelsternsystem moduliert die Ankunftszeiten der Photonen und erlaubt Rückschlüsse auf den Partnerstern: Er hat mindestens die achtfache Masse des Planeten Jupiter, weist aber nur maximal 60 Prozent seines Radius auf.
Aus diesen Informationen berechneten die Forscher die Dichte des Begleiters: Seine Materie ist im Mittel rund 30-mal enger gepackt als die der Sonne. Offenbar ist der Begleiter der kompakte Überrest eines Sterns, der bereits früher den Pulsar umrundete. Im Laufe seiner Entwicklung verlor er Materie an den Pulsar und beschleunigte dessen Drehung. Dabei kamen sich Pulsar und Begleiter immer näher. Derzeit umrunden die Partner den gemeinsamen Schwerpunkt in nur 93 Minuten. Das ist die kürzeste bekannte Bahnperiode aller Pulsare in Doppelsternsystemen. Und mit einem Abstand vom lediglich 1,4-fachen der Erde-Mond-Entfernung ist es das engste bisher bekannte mit einen Pulsar. Der rast mit mindestens 13.000 Kilometern pro Stunde auf seiner Bahn durchs All.
Astronomen bezeichnen einen solchen Pulsar in Anlehnung an eine Spinnenart, bei der das Weibchen das kleinere Männchen nach der Paarung ins Jenseits befördert, als Schwarze Witwe. In ferner Zukunft könnte PSR J1311-3430 seinen Begleiter womöglich vollständig verdampfen und dann alleine durchs All ziehen.
MPG / OD