Daten leiten mit Magnonen
Magnetische Wellen in antiferromagnetischem Eisenoxid für schnelle Schaltprozesse.
Physikern der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz ist es gelungen, eine Langstreckenübertragung von Daten in einem isolierenden Antiferromagneten zu beobachten. Antiferromagnete können prinzipiell wesentlich schnellere Rechengeschwindigkeiten erreichen als herkömmliche ferromagnetische Bauteile. Konventionelle Geräte auf der Basis von derzeitigen metallischen und Halbleiter-Technologien haben den unerwünschten Nebeneffekt, dass sie zu heiß werden und ihre Geschwindigkeit an Grenzen kommt. Dies verzögert den Fortschritt in der Informationstechnologie.
Abb.: Elektrischer Strom in einem Platindraht (li.) erzeugt eine magnetische Welle in antiferromagnetischem Eisenoxid (Wellenlinien). Diese wird in einem zweiten Platindraht (re.) in eine messbare Spannung umgewandelt. Die roten und blauen Pfeile stellen die antiferromagnetische Ausrichtung des Eisenoxids dar. (Bild: A. Ross)
Das aufstrebende Gebiet der Magnonik versucht, diese Probleme mithilfe von elektrisch isolierenden Materialien zu lösen, die magnetische Wellen – Magnonen – transportieren können. Magnonen sind in der Lage, Daten ohne den nachteiligen Effekt der übermäßigen Wärmeproduktion durch Ladungstransport zu übermitteln. Die Mainzer Physiker haben in Kooperation mit Theoretikern der Utrecht University in den Niederlanden und des Center for Quantum Spintronics in Norwegen nachgewiesen, dass antiferromagnetisches Eisenoxid, der Hauptbestandteil von Rost, ein billiges und vielversprechendes Material für den Informationstransport darstellt – bei geringerem Energieverlust und damit weniger Abwärme.
Wenn weniger Wärme erzeugt wird, können die Komponenten noch kleiner werden, während gleichzeitig die Informationsdichte steigt. Antiferromagnete, die größte Gruppe der magnetischen Materialien, haben einige entscheidende Vorteile gegenüber anderen üblicherweise verwendeten metallischen magnetischen Komponenten, die auf Eisen oder Nickel basieren. Sie sind zum Beispiel stabil und unempfindlich gegenüber externen magnetischen Feldern – eine zentrale Bedingung für künftige Datenspeichersysteme. Außerdem haben Bauteile auf der Basis von Antiferromagneten das Potenzial, einige tausend Mal schneller zu arbeiten als herkömmliche Technologien: Die intrinsische Dynamik liegt im Terahertz-Bereich und damit potenziell über einer Billion Arbeitsprozessen pro Sekunde.
Die Wissenschaftler haben ein Eisenoxid-Kristall mit Platindrähten versehen, in denen ein elektrischer Strom fließt. Dieser elektrische Strom veranlasst eine Energieübertragung von Platin in das Eisenoxid und dadurch die Entstehung von Magnonen. Die Physiker stellten fest, dass das Eisenoxid in der Lage war, Informationen mithilfe von Magnonen über die weiten Entfernungen zu transportieren, die für Rechenbauteile notwendig sind. „Das Ergebnis zeigt, dass Antiferromagnete potenziell als Ersatz für die derzeit verwendeten Komponenten geeignet sind“, sagt Romain Lebrun vom Institut für Physik der JGU. „Schnelle Geräte auf Basis antiferromagnetischer Isolatoren sind jetzt in den Bereich des Vorstellbaren gerückt.“
Sein Kollege Andrew Ross ergänzt: „Falls man imstande ist, isolierende Antiferromagnete zu kontrollieren, könnten sie ohne exzessive Wärmeproduktion arbeiten und wären stabil gegenüber externen Störungen.“ Gruppenleiter Mathias Kläui bemerkt dazu: „Ich freue mich sehr, dass diese Arbeit in einer internationalen Zusammenarbeit erreicht wurde. Internationalisierung ist ein Hauptziel unserer Forschungsgruppe und insbesondere auch unserer Exzellenz-Graduiertenschule Materials Science in Mainz. Kooperationen mit weltweit führenden Institutionen wie dem Center for Quantum Spintronics und der Utrecht University machen Spitzenforschung möglich.“
JGU / JOL