14.10.2015

Daten speichern mit Ionen

Ionischer Speichertyp erlaubt stark miniaturisierte Speicherbausteine.

Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Ruhr-Universität Bochum haben einen neuartigen Informationsspeicher entwickelt, der Ionen zur Speicherung und Elektronen zum Auslesen von Daten nutzt. Speicherzellen könnten damit bis in atomare Dimensionen verkleinert werden. Das sei aber nicht der einzige Vorteil der neuen Technologie.

Abb.: Mirko Hansen beim Überprüfen der hergestellten Speicherzellen mittels eines Mikroskops im Reinraum der Kieler Technischen Fakultät. (Bild: AG Nanoelektronik, U. Kiel)

„Sechs plus sieben sind drei – plus eins im Sinn“, rechnet Hermann Kohlstedt, Leiter der Gruppe Nanoelektronik an der Universität Kiel, vor. Damit beschreibt er, dass selbst bei einfachsten Rechenoperationen die kurz- oder langfristige Speicherung von Informationen wesentlich ist. Die schier unglaubliche Leistungssteigerung in der Computertechnik der vergangenen Jahrzehnte beruhte dabei auf einem sehr einfachen Prinzip: immer schnellere Prozessoren und immer mehr Speicherplatz.

Übliche Informationsspeicher basieren auf Elektronen, die durch Anlegen einer Spannung verschoben werden. Die Entwicklung immer kleinerer und energieeffizienterer Speicher nach diesem Prinzip stößt aber zunehmend an ihre Grenzen: In unseren Computern gibt es nämlich nicht nur einen Speicher, sondern je nach Aufgabe mehrere optimierte. „Das Verschieben von Daten zwischen den einzelnen Speichern nimmt mittlerweile eine nicht mehr zu vernachlässigende Zeit in Anspruch. Vereinfacht gesagt: Es wird mehr hin und her verschoben, als dass gerechnet wird“, sagt Kohlstedt. Deshalb arbeiten weltweit Industrie­unternehmen und Forschungs­institute an einem effizienteren Universal­speicher, der die Vorzüge aller Speicher vereint und möglichst wenige Daten hin und her schiebt.

Dafür wollen die Forschenden weg von den ladungs­basierten Speichern hin zu solchen, die auf dem elektrischen Widerstand beruhen. So ein Bauelement kommt nun aus den Kieler und Bochumer Laboren. Es besteht aus zwei metallischen Elektroden, welche durch einen sogenannten Festkörperionenleiter, meist ein Übergangsmetalloxid, getrennt werden. Wird nun eine Spannung angelegt, ändert sich der ohmsche Widerstand der Speicherzelle. Dafür sorgen Oxidations- und Reduktionsprozesse an den Elektroden sowie eine Verschiebung von Ionen innerhalb der Schicht dazwischen. Der Vorteil: So aufgebaute Zellen lassen sich leicht herstellen und bis nahezu der Größe von Atomen verkleinern.

Eine hohe Speicherdauer erreichen die Wissenschaftler, indem sie die Ionendichte in den Zellen über die angelegte Spannung genau einstellen. „Das war eine große Herausforderung“, sagt Mirko Hansen, Doktorand aus Kohlstedts Team. Denn um das zu schaffen, mussten elektronische und ionische Effekte entkoppelt werden. „Elektronen sind rund tausend mal leichter als Ionen und bewegen sich damit deutlich leichter unter dem Einfluss einer externen Spannung. Dies konnten wir erfolgreich ausnutzen, womit in unserem Bauelement Ionen für extrem kleine Spannungen unbeweglich sind, während Elektronen mobil bleiben und zum Auslesen des Speicherzustandes verwendet werden können.“

Der Clou: Die Forscher bauten einen nur wenige Nanometer dünnen Ionenleiter, um quantenmechanische Effekte für den Strom durch die Speicherzelle auszunutzen. „Der Tunneleffekt erlaubt es uns, Elektronen durch die ultradünne Schicht zu bewegen, und das mit einem sehr geringen Energieaufwand“, sagt Martin Ziegler aus Kiel. Im Klartext: Ionen werden innerhalb der Speicherzelle bei Spannungen über einem Volt bewegt, Elektronen hingegen bei Spannungen weit unter einem Volt. So lassen sich Ionen gezielt zum Speichern und Elektronen zum Auslesen von Daten verwenden.

Die Forschung habe noch eine weitere, hochinteressante Komponente, berichten die Wissenschaftler. Die neuen widerstands­basierten Speicher könnten sogar Gehirnstrukturen nachbilden. Eine schnelle Mustererkennung, ein geringer Energie­verbrauch verbunden mit einer enormen Parallelverarbeitung der Daten würden revolutionäre Rechnerarchitekturen erlauben. „In Verbindung mit Begriffen wie Industrie 4.0, in der autonome Roboter arbeiten, oder selbstfahrende Autos, die auf unseren Straßen unterwegs sind, eröffnet das ein riesiges Feld für Innovationen“, ordnen Hermann Kohlstedt und sein Bochumer Kollege Thomas Mussenbrock die Forschungs­ergebnisse ein. Beide arbeiten in der „Forschergruppe 2093“ an der Entwicklung künstlicher neuronaler Netzwerke.

U. Kiel / DE

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