Datenspeicher nutzt einzelne Chloratome
Prototyp einer atomaren Festplatte erreicht eine bis zu 500 mal höhere Datendichte als die besten verfügbaren Festplatten.
Für jedes Bit nur ein einziges Atom: Damit stellte eine Forschergruppe an der Technischen Universität Delft einen neuen Rekord für die Speicherdichte digitaler Daten auf. Mit rechnerisch 502 Terabits pro Quadratzoll tasteten sie sich an die Grenze der möglichen Speicherdichte heran. Dabei schrieben die Forscher die Daten über das Verschieben einzelner Chloratome mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops. „Bei dieser Datendichte würden theoretisch alle jemals geschriebenen Bücher auf eine einzige Briefmarke passen“, sagt der Leiter der Arbeitsgruppe, Sander Otte.
Abb.: Ein Kilobyte des extrem dichter Datenspeicher: Diese Mikroskopaufname (96 auf 126 Nanometer) zeigt einzelne Chloratome auf einer Kupferfläche. Über ihre Position konnten die ersten Sätze einer berühmten Feynman-Vorlesung gespeichert werden. (Bild: TU Delft)
Für ihren Prototyp, der trotz extremer Datendichte nur eine Kapazität von einem Kilobyte hatte, nutzten Otte und Kollegen eine extrem glatte und saubere Kupferoberfläche. Unter Vakuum verdampften sie darüber etwas Kupferchlorid, so dass sich nach bereits dreieinhalb Minuten tausende Chloratome auf der Oberfläche ablagerten. Nach diesem Aufdampfprozess wechselten sich zahlreiche Chloratome mit tausenden noch leeren Plätzen, den Vakanzen, ab. Genau diese Kombination aus Chloratomen und Leerstellen bildete die Grundlage für den extrem dichten Datenspeicher. Denn nun brauchten nur einzelne Chloratome in eine benachbarte Lücke geschubst zu werden, um zwischen den digitalen Basiswerten „0“ und „1“ hin und her zu schalten.
Als Schreibwerkzeug verwendeten die Forscher die Spitze eines Rastertunnelmikroskops. Mit winzigen elektrischen Strömen von etwa einem Mikroampere in der Mikroskopspitze ließen sich die Chloratome mit einer Zuverlässigkeit von 99 Prozent auf den gewünschten Platz bugsieren. Allerdings zeigte sich dieser Schreibprozess im Vergleich zu konventionellen magnetischen Festplatten noch sehr langsam. Um acht Byte zu schreiben, benötigten die Forscher etwa zwei Minuten. Das Auslesen gelang doppelt so schnell. Um die extrem hohe Datendichte zu demonstrieren, schrieben Otte und Kollegen die ersten Sätze der berühmten Vorlesung „There´s plenty of room at the bottom“ des Physikers und Vordenkers der Nanotechnologie, Richard Feynman, auf ein winziges Areal ihres Chlor-Kupfer-Speichers.
Abb.: Dieses Video demonstriert die Datenspeicherung mit einzelnen Chloratomen. (Quelle: TU Delft)
Für eine bessere Kontrolle ordneten die Forscher Chloratome und Vakanzen in kleine Blöcke, die jeweils 64 Bits speichern konnten. Mit einem Areal von knapp 160 Blöcken auf einer Fläche von 96 auf 126 Nanometern erzielten sie eine Kapazität von einem Kilobyte. Diese Areale ließen sich prinzipiell beliebig skalieren, um größere Datenspeicher zu erhalten. Schnellere Schreib- und Leseprozesse von bis zu einem Megabit pro Sekunde hält Otte mit automatisch verfahrbaren Spitzen von Rastertunnelmikroskopen für möglich. Für ein automatisiertes Schreiben mit einer Mikroskopspitze waren zudem geschlossene Reihen von Chloratomen zwischen den Speichereinheiten wichtig. „Solche Marker werden häufig in der Halbleiterindustrie genutzt, doch konnten sie noch nie zuvor auf atomarer Skala demonstriert werden“, sagt Otte.
Von einer praktischen Anwendungen ist diese Technologie noch sehr weit entfernt. Doch im Vergleich zu früheren Ansätzen atomarer Datenspeicher, die sich Daten nur für kurze Zeit merken konnten, zeigte sich dieser Prototyp deutlich stabiler. Gekühlt mit flüssigem Stickstoff statt mit flüssigem Helium blieben die Chloratome bei 77 Kelvin fast zwei Tage lang auf ihren zugewiesenen Positionen.
Auch Sander Otte ist sich vollkommen bewusst, dass sein Speicherkonzept noch sehr lange auf eine praktische Anwendungen warten muss. Dennoch eröffnet diese Arbeit einen Blick auf die mit konventionellen Techniken mögliche Kontrolle einzelner Atome. Ähnlich sieht das der nicht an dieser Studie beteiligte Forscher Steven C. Erwin vom Naval Research Laboratory in Washington in einem begleitenden Kommentar. „Diese hochdichten Speicher auf der atomaren Skala werden unsere Vorstellungen für kommende Meilensteine stimulieren.“
Jan Oliver Löfken
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