05.04.2024

Defekte im atomaren Maßstab ermöglichen langfristige Datenspeicherung

Fokussierter Ionenstrahl gewährleistet präzise Details, hohe Schreibgeschwindigkeit und einen geringen Energieaufwand.

Dank Internet, sozialer Medien und des Cloud-Computing steigt die Menge der täglich weltweit erzeugten Daten rasant an. Das erfordert neue Technologien, die eine höhere Speicherdichte in Verbindung mit einer sicheren Langzeitarchivierung gestatten, die weit über die Möglichkeiten herkömmlicher Datenspeicher hinausgeht. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf schlägt jetzt ein neues Konzept der Langzeit-Datenspeicherung vor, das auf atomaren Defekten im Halbleitermaterial Siliziumkarbid beruht. Diese Defekte werden durch einen fokussierten Ionenstrahl erzeugt, der präzise Details, eine hohe Schreibgeschwindigkeit und eine geringe Energie für die Speicherung eines einzelnen Bits gewährleistet.

Abb.: Konzept der optischen Langzeitdatenspeicherung in Siliziumkarbid.
Abb.: Konzept der optischen Langzeitdatenspeicherung in Siliziumkarbid.
Quelle: M. Hollenbach, H. Schultheiß, HZDR

Jüngste Schätzungen gehen davon aus, dass jeden Tag etwa 330 Millionen Terabyte an neuen Daten entstehen, wobei neunzig Prozent der weltweiten Daten allein auf die letzten beiden Jahre entfielen. Auch wenn die schieren Zahlen bereits die Notwendigkeit fortschrittlicher Datenspeicher-Technologien verdeutlichen, ist dies bei weitem nicht das einzige Problem, das mit dieser Entwicklung einhergeht. „Die begrenzte Speicherzeit aktueller Medien erfordert eine Datenmigration innerhalb weniger Jahre, um Verluste zu vermeiden. Abgesehen davon, dass wir in ewigen Datenmigrations-Prozeduren gefangen sind, erhöht dies den Energieverbrauch erheblich, da bei diesem Prozess eine beträchtliche Menge an Energie verbraucht wird“, erläutert Georgy Astakhov vom HZDR.

Um diese Krise zu entschärfen, stellt Astakhovs Team das neues Konzept vor, das auf atomaren Defekten in Siliziumkarbid beruht. Diese Defekte werden durch einen fokussierten Strahl von Protonen oder Helium-Ionen eingearbeitet und mit Hilfe von Lumineszenzmechanismen, die mit den Defekten verbunden sind, ausgelesen.

Derzeit sind Magnetspeicher die erste Wahl, wenn es um Speicherlösungen mit großen Kapazitäten geht, wobei die Gesetze der Physik die Grenzen der erreichbaren Speicherdichte setzen. Um sie zu erhöhen, müssen die magnetischen Partikel schrumpfen. Doch dann gewinnen thermische Fluktuationen und Diffusionsprozesse im Material an Bedeutung, was sich wiederum negativ auf die Speicherdauer auswirkt. Eine Anpassung der magnetischen Eigenschaften des Materials könnte diesen Effekt unterdrücken, aber das hat seinen Preis: eine höhere Energie für die Speicherung von Informationen.

Und auch für das optische Auslesen von gespeicherten Informationen gibt es physikalische Beschränkungen. Aufgrund der Beugungsgrenze ist das kleinste aufzeichnende Bit in seiner Größe eingeschränkt: Seine Ausmaße können nicht kleiner werden als die Hälfte der Lichtwellenlänge, eine Grenze, die damit die maximale Speicherkapazität festlegt. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die mehrdimensionale optische Aufzeichnung.

Siliziumkarbid weist Defekte auf atomarer Ebene auf, insbesondere Siliziumatome fehlen in der Gitterstruktur. Die Defekte werden durch einen fokussierten Protonen- oder Helium-Ionenstrahl erzeugt, der eine hohe Ortsauflösung, eine hohe Schreibgeschwindigkeit und eine geringe Energie für die Speicherung eines einzelnen Bits ermöglicht. „Die Beugungsgrenze der Speicherdichte, die für optische Medien typisch ist, gilt auch in unserem Fall. Wir überwinden sie durch vierdimensionale Codierungsverfahren. Dabei werden die drei Raumdimensionen und eine zusätzliche vierte Dimension der Intensität gesteuert, indem wir die seitliche Position, Tiefe und Anzahl der Defekte variieren. Anschließend lesen wir die gespeicherten Daten mittels der durch Anregung hervorgerufenen Photolumineszenz optisch aus. Darüber hinaus kann die räumliche Speicherdichte durch fokussierte Elektronenstrahl-Anregung, die eine beobachtbare Kathodolumineszenz hervorruft, deutlich verbessert werden“, hebt Astakhov einige herausragende Merkmale seiner Methode hervor.

Die gespeicherten Informationen könnten je nach den Bedingungen, unter denen das Medium aufbewahrt wird, wieder aus den Defekten verschwinden, doch die Wissenschaftler haben bezüglich ihres Materials gute Nachrichten: „Dieses Abschalten von Defekten ist von der Umgebungstemperatur abhängig. Unsere Beobachtungen deuten auf eine Mindest-Archivierzeit von einigen Generationen unter normalen Bedingungen hin“, sagt Astakhov. Und es gibt noch mehr: Mit Nahinfrarot-Laseranregung, modernen Kodierungstechniken und mehrschichtiger Datenspeicherung, nämlich dem Übereinanderstapeln von bis zu zehn Siliziumkarbidschichten, erreicht das Team eine flächige Speicherdichte, die der von Blu-ray-Discs entspricht. Schaltet man für das Auslesen der Daten auf Elektronenstrahl-Anregung anstelle von optischer Anregung um, entspricht die so erreichbare Grenze der derzeitigen Rekord-Flächenspeicherdichte eines Prototyp-Magnetbands, das allerdings eine kürzere Speicherdauer und einen höheren Energieverbrauch aufweist.

Der konzeptionelle Ansatz des Teams ist nicht auf Siliziumkarbid beschränkt und kann auf andere Materialien mit optisch aktiven Defekten, einschließlich zweidimensionalen Materialien, ausgeweitet werden.

HZDR / RK

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