29.08.2013

Der älteste Sonnen-Zwilling

Das Very Large Telescope der ESO liefert neue Hinweise zum Lithiumrätsel der Sterne.

Ein internationales Astronomenteam unter brasilianischer Leitung hat mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO den ältesten bekannten Zwilling der Sonne identifiziert und untersucht. Der Stern HIP 102152 ist 250 Lichtjahre von der Erde entfernt und ähnelt der Sonne mehr als jeder andere sonnenähnliche Stern – abgesehen davon, dass er fast vier Milliarden Jahre älter ist. Dieser Sonnenzwilling eröffnet eine noch nie da gewesene Möglichkeit zu verfolgen wie die Sonne mit zunehmendem Alter aussehen wird. Die neuen Beobachtungen belegen außerdem erstmals eine eindeutige Verbindung zwischen dem Alter eines Sterns und seinem Lithiumgehalt. Außerdem weisen die Daten darauf hin, dass HIP 102152 erdähnliche Gesteinsplaneten beherbergen könnte.

Abb.: Der Sonnenzwilling HIP 102152 befindet sich 250 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Capricornus. Die unterschiedlichen Farben entstanden dadurch, dass sich der Stern zwischen den zwei Belichtungen, die mehrere Jahre auseinander liegen, etwas bewegt hat. (Bild: ESO, Digitized Sky Survey / D. De Martin)


Die Bezeichnungen Sonnenzwillinge, Analoga zur Sonne und sonnenähnliche Sterne bezeichnen verschiedene Abstufungen der Ähnlichkeit zur Sonne bei Sternen. Sonnenzwillinge sind unserer Sonne am ähnlichsten, da sie sehr ähnliche Massen, Temperaturen und chemische Zusammensetzungen haben. Solche Sonnenzwillinge sind sehr selten. Die anderen Klassen, bei denen die Ähnlichkeit zur Sonne geringer ist, kommen jedoch viel häufiger vor.

Jorge Melendez von der Universidade de São Paulo in Brasilien, Leiter der Forschergruppe und Koautor des Fachartikels, in dem die Ergebnisse präsentiert werden, erklärt: „Seit Jahrzehnten suchen Astronomen schon nach Zwillingssternen der Sonne, um unseren eigenen, lebensspendenden Stern besser zu verstehen. Seit der ersten derartigen Entdeckung 1997 hat man aber nur wenige davon finden können. Vom VLT haben wir nun Spektren von überragender Qualität erhalten und können damit Zwillinge der Sonne mit besonders hoher Genauigkeit gründlich untersuchen und so auch die Frage beantworten, ob unsere Sonne etwas Besonderes ist.”

Das Astronomenteam untersuchte zwei Sonnenzwillinge. Sie gingen davon aus, dass einer der beiden namens 18 Scorpii jünger als die Sonne ist und der andere namens HIP 102152 älter. Mit dem UVES-Spektrografen am Very Large Telescope (VLT) am Paranal-Observatorium konnten sie ihr Licht in seine Farben zerlegen, um so die chemische Zusammensetzung und weitere Eigenschaften dieser Sterne detailliert zu untersuchen.

Dabei fanden sie heraus, dass HIP 102152 im Sternbild Capricornus (der Steinbock) der älteste bisher bekannte Sonnenzwilling ist. Sein Alter beträgt schätzungsweise 8,2 Milliarden Jahre. Unsere Sonne ist nur 4,6 Milliarden Jahre alt. Dagegen konnten die Astronomen bestätigen, dass 18 Scorpii tatsächlich jünger ist als die Sonne – und „erst“ etwa 2,9 Milliarden Jahre alt.

Anhand der Untersuchung des uralten Sonnenzwillings HIP 102152 können die Wissenschaftler voraussagen, was mit unserer eigenen Sonne passieren könnte, wenn sie dieses Alter erreicht. Eine bedeutende Entdeckung haben sie schon gemacht. „Eine Frage, die wir angehen wollten, war, ob die Zusammensetzung der Sonne typisch und warum ihr Lithiumgehalt so ungewöhnlich niedrig ist”, erläutert Melendez.

Abb.: Das Leben eines sonnenähnlichen Sterns von dessen Geburt auf der linken Seite bis zu seiner Entwicklung zu einem Roten Riesen auf der rechten Seite. Alter, Größen und Farben sind geschätzt und nicht maßstabsgetreu dargestellt. (Bild: ESO, M. Kornmesser)


Lithium, das dritte Element des Periodensystems, entstand während des Urknalls zusammen mit Wasserstoff und Helium. Astronomen fragen sich schon viele Jahre, warum einige Sterne weniger Lithium zu haben scheinen als andere. Durch die neuen Beobachtungen von HIP 102152 sind Astronomen der Lösung dieses Rätsels einen großen Schritt näher gekommen, indem sie einen starken Zusammenhang zwischen dem Alter der sonnenähnlichen Sterne und ihrem Lithiumgehalt festgestellt haben.

Unsere Sonne besitzt heute nur noch ein Prozent des Lithiumsgehalts, der im Material vorhanden war, aus dem sie entstanden ist. Untersuchungen jüngerer Sonnenzwillinge deuten darauf hin, dass jüngere sonnenähnliche Sterne einen deutlich höheren Lithiumanteil enthalten. Jedoch waren Wissenschaftler bisher nicht in der Lage den Zusammenhang zwischen Alter und Lithiumgehalt nachzuweisen.

TalaWanda Monroe, ebenfalls von der Universidade de São Paulo und Erstautorin des neuen Fachartikels, fasst zusammen: „Wir haben festgestellt, dass HIP 102152 einen sehr geringen Lithiumanteil hat. Dies zeigt zum ersten Mal deutlich, dass ältere Sonnenzwillinge in der Tat einen geringeren Lithiumanteil haben als unsere Sonne oder jüngere Sonnenzwillinge. Wir können uns nun sicher sein, dass Sterne auf irgendeine Weise ihr Lithium zerstören, wenn sie älter werden, und dass der Lithiumgehalt der Sonne für ihr Alter normal ist.”

Ein letzter Wendepunkt dieser Geschichte ist, dass HIP 102152 ein ungewöhnliches Muster in seiner chemischen Zusammensetzung aufweist, das sich fast unmerklich von den meisten anderen Sonnenzwillingen unterscheidet, aber dem der Sonne ähnlich ist. Beide zeigen einen Mangel an Elementen, die in Meteoriten und der Erde in großen Mengen vorhanden sind. Dies ist ein starker Hinweis darauf, dass HIP 102152 erdähnliche Gesteinsplaneten beherbergen könnte.

ESO / PH

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