20.12.2017

Der andere Quantenmechaniker

Vor 100 Jahren wurde David Bohm geboren, der mit seiner Deutung der Quantenmechanik für Kontroversen gesorgt hat.

Es gibt nur wenige Physiker, deren Lebensleistung so schwer zu würdigen ist, wie diejenige von David Bohm. Mit seinem Versuch, eine „ganzheitliche“ Deutung der Quantentheorie zu finden, hatte er sich schon früh in seiner Karriere in eine Minderheitenposition manövriert, doch leistete er zeitlebens bedeutende Beiträge zur Physik. 1990, wenige Jahre vor seinem Tod, wurde er in die ehrwürdige Royal Society aufgenommen. Zu dieser Zeit hatte er längst öffentlich bekannt, dass die Physik ihm bei seiner Suche nach Wahrheit keine ausreichenden Antworten geben konnte.

Durch seinen intensiven Austausch mit dem indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti und den daraus resultierenden Schriften wurde David Bohm in seiner zweiten Lebenshälfte zu einer Kultfigur für Zeitgenossen, die durch die Physik zu mystischer Erleuchtung gelangen wollten, wie John Horgan es formulierte. Noch heute wird er in nicht-physikalischen Kreisen hoch angesehen, u.a. weil er eine er eine Art des Gedankenaustauschs entwickelte, die als „Dialog im Geiste David Bohms“ unterrichtet wird.

 

 

Interview mit David Bohm zum Thema Quantentheorie (Quelle: Youtube)

 

David Bohm wurde vor 100 Jahren, am 20. Dezember 1917, als Sohn des ungarisch-jüdischen Einwanderers und Möbelhändlers Samuel Bohm geboren. Er wuchs in einer Kleinstadt in Pennsylvania auf, machte an der Pennsylvania State University 1939 einen Bachelor of Science, und ging dann an das renommierte California Institute of Technology. Für seine Doktorarbeit bei Robert Oppenheimer wechselte er anschließend an die University of California in Berkeley.

Die Doktoranden im Umfeld Oppenheimers begeisterten ihn bald für kommunistische Ideen und er schloss sich mehreren politischen Organisationen an. Aufgrund dieses Engagements wurde ihm 1942 die von Oppenheimer gewünschte Mitarbeit in Los Alamos verweigert. Indirekt leistete Bohm trotzdem einen Beitrag zum Atombombenprojekt: In seiner Doktorarbeit berechnete er die Zusammenstöße von Neutronen und Protonen. Nach der Promotion (1943) stellte er dann am Beschleuniger in Oak Ridge Berechnungen zur elektromagnetischen Anreicherung von Uran an.

Bereits als Postdoktorand in Berkeley hatte Bohm seine erste bedeutende Entdeckung gemacht, als er das Verhalten von Elektronen in Plasmen beschrieb (Bohm-Diffusion). Nach dem Krieg (1947) wurde er Assistent an der Princeton University, an der zu dieser Zeit auch Albert Einstein forschte. Aus Bohms Lehrtätigkeit entstand ein Lehrbuch über Quantentheorie, das Einstein als eine der klarsten Darstellungen auf diesem Gebiet würdigte.

Durch Gespräche mit Einstein begann Bohm an der Kopenhagener Deutung der Quantentheorie zu zweifeln. Er ersetzte sie in den folgenden Jahren durch eine deterministische Theorie (De-Broglie-Bohm-Theorie), die jedoch bis heute nur von einer Minderheit von Physikern vertreten wird. Bohms Ansatz beinhaltet die Existenz von so genannten versteckten Variablen, die prinzipiell das Verhalten individueller Systeme bestimmen. Selbst Einstein, der zunächst von Bohm gesagt hatte, er sei der Einzige, der über die Quantentheorie hinaus gehen könne, schrieb 1952 am Max Born: „Der Weg scheint mir zu billig.“

Bohms Bemühungen um eine alternative Interpretation der Quantentheorie waren überschattet von der antikommunistischen McCarthy-Ära. 1950 wurde er vor das Komitee für anti-amerikanische Umtriebe zitiert. Als er sich weigerte, gegen seine ehemaligen Mitstreiter in der kommunistischen Studentenbewegung auszusagen, wurde er verhaftet und vor Gericht gestellt. Das Verfahren endete mit einem Freispruch, aber Princeton hatte ihn bereits entlassen und weigerte sich – trotz der Fürsprache Einsteins – seinen Vertrag zu erneuern. Als Bohm auch keine andere Stelle in den USA fand, ging er 1951 nach Brasilien. Dort wurde sein Pass durch den amerikanischen Konsul eingezogen. Um reisen zu können, musste er die brasilianische Staatsbürgerschaft annehmen. Erst 1986 erhielt er seine amerikanische Staatsbürgerschaft auf dem Rechtsweg zurück.

Trotz seiner geografischen Isolation in Sao Paolo stand David Bohm in regem Kontakt mit seinen Kollegen. In dieser Zeit erhielt er Besuche u.a. von Richard Feynman, Isidor Rabi, Leon Rosenfeld und Carl Friedrich von Weizsäcker. Zusammen mit David Pines entwickelte er zwischen 1951 und 1953 die Bohm-Pines-Theorie der Plasmonen und arbeitete mit dem französischen Theoretiker Jean-Pierre Vigier und Louis De Broglie weiter an einer alternativen Formulierung der Quantentheorie.

1955 übersiedelte David Bohm nach Israel, wo er eine Stelle am Technion in Haifa antrat. Hier publizierte er mit seinem Assistenten Yakir Aharanov eine neue Version des Einstein-Podolski-Rosen-Paradaxons, auf deren Basis John Stuart Bell 1964 seine Ungleichung zur Überprüfung der Quantentheorie aufstellte.

In Haifa lernte er auch seine Frau Sarah (Saral genannt) kennen, mit der er seine philosophischen Interessen teilte und die ihm während seiner depressiven Phasen zur Seite stand. Sie machte ihn auf Krishnamurti aufmerksam und engagierte sich mit ihm für die Verbreitung der Lehren des indischen Philosophen. Zusammen gründeten sie die Krishnamurti-Schule Brockwood-Park in England mit.

1957 nahm Bohm eine Stelle an der Universität von Bristol an und fand 1961 seine endgültige Anstellung als Professor an der Universität London. Seine letzte bedeutende wissenschaftliche Arbeit war 1959 die Vorhersage des Aharanov-Bohm-Effekts, der ein Jahr später experimentell bestätigt wurde. David Bohm starb im Oktober 1992 im Institut an den Folgen eines Herzinfarkts.

 

Anne Hardy

 

 

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