09.01.2013

Der gerade, lange Weg zum Higgs

Der technische Entwurf für den International Linear Collider (ILC) ist fertiggestellt, ein wichtiger Meilenstein für das ehrgeizige Beschleunigerprojekt.

Ein erster Kandidat für das Higgs-Teilchen ist entdeckt, der LHC wird demnächst für zwei Jahre abgeschaltet, um ihn für höhere Energien umzubauen, doch schon jetzt denkt die Teilchenphysik-Community viel weiter in die Zukunft. Seit zwanzig Jahren arbeitet sie daran, den nächsten großen Teilchenbeschleuniger, den International Linear Collider, zu entwickeln und auf den Weg zu bringen.

Barry Barish (links) und Sakue Yamada überreichten in Tokyo den "Technical Design Report" an den ILCSC-Vorsitzenden Jonathan Bagger. (Foto: ILC/Nobuko Kobayashi)

Der Large Hadron Collider (LHC) und der ILC sollen sich ergänzen. Der LHC erzeugt bei Kollisionen von Protonen oder Blei-Kernen als „Entdeckermaschine“ neue Teilchen, wie etwa den 2011 nachgewiesenen Kandidaten für das lang gesuchte Higgs-Teilchen. Der ILC ist als „Präzisionsmaschine“ konzipiert, die anhand der Kollision von Elektronen mit Positronen u. a. die Eigenschaften des Higgs-Kandidaten genau vermessen soll. Daneben erhofft man sich vom ILC auch neue Erkenntnisse über das Top-Quark oder die Dunkle Materie.

In ringförmigen Beschleunigern lassen sich Elektronen und Positronen im Gegensatz zu Protonen nicht auf GeV-Energien bringen, da sie die aufgenommene Energie in Form von Synchrotronstrahlung abgeben würden. Daher besteht der ILC aus zwei Linearbeschleunigern von insgesamt 31 Kilometern Länge, in denen Elektronen und Positronen in der ersten Ausbaustufe auf 250 GeV beschleunigt werden. Das ist deutlich geringer als die derzeit 8 TeV beim LHC, reicht aber aus, da bei den Kollisionen der strukturlosen Elektronen und Positronen weniger Verlustprozesse auftreten und diese auch viel leichter zu analysieren sind als Prozesse mit den aus Quarks und Gluonen aufgebauten Protonen.

Ein Großforschungsprojekt wie der ILC lässt sich nur noch in einer internationalen Anstrengung verwirklichen. Diese leitet derzeit der amerikanische Hochenergiephysiker Barry Barish vom California Institute of Technology. Am 15. Dezember konnte Barish den „Technical Design Report“ (TDR) an Jonathan Bagger übergeben, den Vorsitzenden des International Linear Collider Steering Committee (ILCSC). Zwei Kommissionen begutachten den Entwurf nun bis Februar in Bezug auf die technische Details und Kosten. Nach dem Vorentwurf aus dem Jahr 2007 waren über fünf Jahre Forschung und Entwicklung für die technischen Details nötig.

Der ILC-Entwurf ist „keine Revolution, aber eine stetige Evolution“, charakterisiert es Joachim Mnich, Mitglied des DESY-Direktoriums und des International Commitee for Future Accelerators. Neben den vielen Detailarbeiten enthält der TDR auch grundlegende Änderungen und Optimierungen. So sollen die „Dämpfungsringe“, also der Teil der Anlage, welche die Elektronen- und Positronen-Strahlen fokussieren soll, um die Luminosität zu erhöhen, wieder im Zentrum des ILC angesiedelt sein. Dadurch reduziert sich der Umfang der Dämpfungsringe um die Hälfte auf nun etwa drei Kilometer.

Insgesamt 16 000 supraleitende Hohlraumresonatoren, die auf 2 K gekühlt sein müssen, beschleunigen die Elektronen und Positronen. Diese „kalten Technologie“, die im Rahmen des TESLA-Projekts am DESY entwickelt wurde, hat im ILC-Entwurf weiterhin den Vorzug vor der konventionellen „warmen Technologie“, die mit Kupferresonatoren arbeitet.

Frühere Planungen waren von einem Baubeginn des ILC im Jahr 2012 ausgegangen, nun dürfte dies nicht vor 2020 der Fall sein. Als möglicher Standort hat sich mittlerweile Japan herauskristallisiert. Dass die Liberaldemokratische Partei, die kürzlich die japanischen Parlamentswahlen gewonnen hat, den ILC sogar in ihrem Programm aufgeführt hat, hält Joachim Mnich für ein positives Signal. Doch bevor es zu politischen Entscheidungen für den ILC kommt, gilt es nun erst einmal, die kommenden Ergebnisse der Begutachtung in den technischen Entwurf einfließen zu lassen, der dann im Juni erscheinen soll. Erst dann lassen sich konkretere Weichenstellungen des Milliarden-Projekts absehen.

Alexander Pawlak 

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