04.10.2011

Der kürzeste Film der Welt

Teilchenphysiker der TU Wien visualisieren ihre Ergebnisse in einem Video, das Abläufe auf extrem kurzen Zeitskalen darstellt.

Hunderttausend mal heißer als das Zentrum der Sonne ist Quark-Gluon-Plasma – ein Materiezustand, bei dem selbst Protonen und Neutronen in ihre Bestandteile aufgeschmolzen werden. An der TU Wien wurden in aufwändigen Computersimulationen nun einige der Geheimnisse dieses exotischen Materiezustandes untersucht. Die Ergebnisse lassen das Phänomen der sogenannten „Plasma-Instabilitäten“ sichtbar und sogar hörbar werden.

Sekundenbruchteile nach dem Urknall bestand das gesamte Universum aus Quark-Gluon-Plasma. Selbst für Protonen und Neutronen war es noch zu heiß. Die Elementarteilchen, aus denen sie aufgebaut sind – Quarks und Gluonen – konnten sich frei untereinander bewegen. Heute lässt sich dieser Materiezustand im Miniaturformat an großen Teilchenbeschleunigern reproduzieren. Nach wie vor gibt das Quark-Gluon-Plasma Rätsel auf: So ist bis heute nicht genau geklärt, warum ein Quark-Gluon-Plasma gewissermaßen eine perfekte Flüssigkeit darstellt. Seine Viskosität ist niedriger als bei allen Flüssigkeiten, die wir kennen. Außerdem ist unklar, wie die Teilchen ihre Geschwindigkeiten und Richtungen in kürzester Zeit untereinander verteilen, auch wenn ihnen anfangs eine bevorzugte Startrichtung vorgegeben wird.

Ein Schlüssel zum Verständnis dieses exotischen Materiezustands könnten die „Plasma-Instabilitäten“ sein – spontan auftretende Ströme im Plasma. Ähnlich wie elektrischer Strom mit elektromagnetischen Feldern zusammenhängt, sind die Ströme im Plasma mit Gluonen-Feldern gekoppelt. In aufwändigen Computersimulationen konnten die Forscher nun erstmals visualisieren, wie sich „gluonische“ Plasma-Instabilitäten entwickeln. Der simulierte Prozess selbst dauert nur einige Yoctosekunden. Eine Yoktosekunde (10-24 Sekunden) ist ein Millionstel eines Milliardstels einer Milliardstelsekunde.

Die Ergebnisse der Simulation wurden zur Unterstützung der mathematischen Analysen auch als Video mit Ton aufbereitet: Die Stärke der Gluonen-Felder sind graphisch durch Pfeile dargestellt, ihre verschiedenen Ladungen durch Farben dargestellt, und die Wellenlängen wurden in hörbaren Ton umgewandelt. Ließe man das Video in Originalgeschwindigkeit laufen, würde man freilich nichts hören: Frequenzen im Yoctosekunden-Bereich lägen mindestens 71 Oktaven über dem Kammerton a – und wäre daher um viele Größenordnungen höher als alles, was wir wahrnehmen können.

Am Anfang des Videos bauen sich die Plasma-Instabilitäten auf – benachbarte Feld-Pfeile zeigen meist in dieselbe Richtung, die langen Wellenlängen der Plasma-Instabilität sind als tiefes Brummen zu hören. Später führen komplizierte Wechselwirkungen der Gluonen dazu, dass sich Turbulenzen ausbilden, die die Regelmäßigkeit auflösen. Dadurch zeigen die Felder an unterschiedlichen Orten in völlig unterschiedliche Richtungen und der gleichmäßige Ton wird zum wirren Rauschen. Von der detaillierten Analyse dieser Turbulenzen erhoffen sich die Physiker Erklärungen für die experimentellen Beobachtungen, die bei Schwerionenkollisionen am Cern auftreten.

TU Wien / PH

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