25.08.2011

Der Milchstraße fehlt's derzeit an Nachwuchs

Astronomen finden Gaswolken, die in die Galaxis fallen – und Indizien für eine heftige Phase der Sternentstehung vor 25 Millionen Jahren.

Im Zentrum unserer Milchstraße haben sich vor 25 Millionen Jahren etwa viermal mehr Sterne neu gebildet als in der Zeit davor. Darauf deutet die Entdeckung von drei Cepheiden hin, die alle zur gleichen Zeit entstanden sind. Die starke Schwankung der Sternentstehungsrate könnte ein Anzeichen dafür sein, dass zyklisch Gas in das galaktische Zentrum einströmt.

Abb.: Die drei neu entdeckten Cepheiden in der Nähe des galaktischen Zentrums. (Quelle: N. Matsunaga)

Cepheiden sind alternde Sterne, die bereits den Wasserstoff-Vorrat in ihrem Zentrum verbraucht haben und eine kurzeitige Phase der Instabilität durchlaufen. In dieser Zeit pulsieren sie mit Perioden zwischen einem und 130 Tagen. Die Pulsationsperiode klassischer Cepheiden nehme mit zunehmendem Alter ab, berichten Noriyuki Matsunaga von der Universität Tokio und seine Kollegen. Die Astronomen konnten drei Cepheiden mit Pulsationsperioden um 20 Tage aufspüren – aber keine mit anderen Perioden. Aus der Periode von 20 Tagen ergibt sich ein Alter von 25 Millionen Jahren – zu dieser Zeit, so schließen die Forscher, muss die Sternentstehungsrate also deutlich höher gewesen sein als in der Zeit davor, sonst hätte das Team auch Cepheiden mit längeren Perioden finden müssen.

Anzeichen für eine stetigen Zustrom von Gas in die Milchstraße, ohne den die Entstehung von neuen Sternen nicht möglich wäre, fanden unterdessen Nicolas Lehner und Christopher Howk von der University of Notre Dame in den USA. Bisherige Versuche, einen solchen Zustrom von Gas nachzuweisen, hatten eine um einen Faktor 10 zu geringe Menge aufgespürt: In der Milchstraße entstehen pro Jahr ein bis zwei neue Sterne, die bislang aufgespürten Wolken liefern aber nur 0,1 Sonnenmassen pro Jahr.

Das Problem: Es ist sehr schwierig, die Entfernung von Gaswolken zu bestimmen. So ist zumeist unklar, ob sich solche Wolken in der Milchstraße oder vielleicht weit entfernt im intergalaktischen Raum befinden. Lehner und Howk haben dieses Problem mit einem Trick gelöst. Sie haben in den Spektren von 28 weit entfernten, aber noch zur Milchstraße gehörenden Sternen nach Anzeichen für große Gaswolken gesucht. Tatsächlich konnten sie in etwa der Hälfte der Spektren eine Absorption der Sternstrahlung durch ionisierte Wasserstoffwolken nachweisen, die mit hohen Geschwindigkeiten von 90 bis 170 Kilometern pro Sekunde in die Milchstraße hineinfallen. Die bekannte Entfernung der Sterne setzt jeweils eine Obergrenze für die Entfernung der Gaswolken – sie müssen sich also bereits innerhalb des Milchstraßen-Halos befinden.

Lehner und Howk konnten zeigen, dass ionisiertes Gas im Halo der Milchstraße ausreichend Nachschub an Materie liefert, um die fortgesetzte Entstehung neuer Sterne anzutreiben. Allerdings scheint dieser Nachschub langsam zu versiegen. Wie radioastronomische Beobachtungen eines australisch-französischen Forscherteams zeigen, enthielten Galaxien vor drei bis fünf Milliarden Jahren erheblich mehr molekularen Wasserstoff als im heutigen Kosmos. Die abnehmende Menge an Gas in den Galaxien liefere eine Erklärung dafür, warum die Sternentstehungsrate im Verlauf der kosmischen Geschichte abgenommen hat, schreiben Robert Braun von der nationalen australischen Wissenschaftsorganisation Csiro und seine Kollegen. Ursache für diese Entwicklung sei die beschleunigte Expansion des Universums durch die mysteriöse Dunkle Energie, die den Zustrom von neuem Gas behindere.

Rainer Kayser


OD

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