Der ruhigste Ort im All
Resultate der Lisa-Pathfinder-Mission übertreffen die Anforderungen für das Gravitationswellen-Observatorium Lisa.
Die endgültigen Ergebnisse des Esa-Satelliten Lisa Pathfinder (LPF) zeigten, dass nun die Anforderungen an Schlüsseltechnologien von Lisa, dem zukünftigen Gravitationswellen-Observatorium im All, um mehr als einen Faktor zwei im gesamten Beobachtungsband übertroffen werden konnten. Lisa soll im Jahr 2034 als Esa-Mission ins All starten und wird mit der Messung niederfrequenter Gravitationswellen von verschmelzenden extrem massereichen schwarzen Löchern aus dem gesamten Universum und zehntausenden Doppelsternen in unserer Galaxie lauschen.
Abb.: Lisa Pathfinder hat die Schlüsselelemente eines Gravitationswellen-Observatoriums im Weltraum erfolgreich getestet. (Bild: ESA, C.Carreau)
„Lisa Pathfinder hat die Schlüsseltechnologien für Lisa wundervoll gezeigt: der perfekte ungestörte freie Fall zweier würfelförmiger Testmassen im Herzen des Satelliten“, sagt Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover. „Die Ergebnisse der ersten Missionswochen haben uns schon total überwältigt, aber die Endergebnisse mit mehr und besseren Daten und einem tieferen Verständnis unseres Weltraumlabors LPF sind ein wirklich grandioser Anblick.“ Während die ersten LPF-Ergebnisse bereits die Anforderungen bei hohen Frequenzen (über 0,01 Hz) übertrafen, zeigen die neuen Ergebnisse, dass die Anforderungen um mehr als einen Faktor zwei bis hinunter zu 0,00002 Hz übertroffen werden.
Eine Kombination von mehreren Effekten erlaubte den Forschern, die ersten Ergebnisse zu verbessern, die verbleibenden Störquellen zu reduzieren und eine noch ruhigere Umgebung für die zwei würfelförmigen Gold-Platin-Testmassen zu erstellen. Nach mehreren Monaten des Belüftens der Testmassen-Vakuumkammern zum All fiel ihr Restgasdruck, der bisher die Messungen begrenzte, um einen Faktor 10. Die Verfügbarkeit von mehr Daten führte zu einem besseren Verständnis der kleinen Scheinkraft, die auf die Würfel wirkte und die von der Bahn des Satelliten und seiner Ausrichtung im All verursacht wurde. Eine verbesserte Steuerung in Lisa wird diesen Effekt weiter reduzieren.
Eine genauere Berechnung der elektrostatischen Kräfte der elektrischen Systeme und magnetischen Felder an Bord des Satelliten eliminierte nun außerdem eine systematische Quelle von niederfrequentem Rauschen. Die Datenanalyse erlaubte den Wissenschaftlern die Auswirkungen zusätzlicher sporadischer Ereignisse zu entfernen, um das Hintergrundrauschen bei noch niedrigeren Frequenzen als erwartet zu vermessen. Diese Demonstration von nahezu perfektem Freifall von zwei Testmassen über ein breites Frequenzband ist ein entscheidender Meilenstein für die Lisa-Mission und zukünftige Multi-Messenger-Astronomie in Zusammenarbeit mit anderen, elektromagnetischen Observatorien.
Außerdem arbeitete das LPF-Laserinterferometer – das erste jemals im All – mehr als 100-mal besser als die Anforderungen und 30-mal besser als jemals zuvor in irdischen Labors. Es ermöglichte die detaillierte Untersuchung von winzigen unterschwelligen Rauschquellen und Artefakten und half so in Vorbereitung auf Lisa weitere Erfahrung zu sammeln und Vertrauen zu gewinnen. Dieses optische Präzisionsmesssystem wurde unter Federführung und mit maßgeblicher Beteiligung von Forschern des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und von der Leibniz Universität in Hannover entwickelt und gebaut.
Lisa soll 2034 als Mission der Europäischen Weltraumorganisation Esa ins All starten. Unterstützt wird die Mission von vielen Esa-Mitgliedsstaaten, der Nasa und zahlreichen Wissenschaftlern einer engen transatlantischen Zusammenarbeit. Die geplante Lisa-Mission wird Gravitationswellen im Weltall messen. Sie besteht aus drei Satelliten im Abstand von Millionen von Kilometern. Mittels Laserlicht werden die Forscher die winzigen Abstandsänderungen messen, die vorbeirasende Gravitationswellen erzeugen. Lisa wird aus drei Satelliten bestehen, die mit Lasern ein gleichseitiges Dreieck mit etwa 2,5 Millionen Kilometern Kantenlänge aufspannen. Durch diesen Formationsflug im All laufende Gravitationswellen verändern diese Abstände um ein Billionstel Meter.
Lisa wird niederfrequente Gravitationswellen mit Schwingungsperioden von zehn Sekunden bis zu mehr als einem halben Tag messen, die mit Detektoren auf der Erde nicht beobachtet werden können. Solche Gravitationswellen stammen beispielsweise von extrem massereichen schwarzen Löchern, millionenfach schwerer als unsere Sonne, die im Zentrum von Galaxien verschmelzen, den Bahnbewegungen zehntausender Doppelsternsysteme unserer Galaxie stammen und möglicherweise exotischen Quellen wie kosmischen Strings.
AEI / JOL