Der Stoff, aus dem Kometen sind
Vom Sonnenwind herausgeschlagene Elemente weisen auf Verwandtschaft von Tschuri mit Chondriten.
Es war einer jener glücklichen Momente in der Forschung: Eigentlich erfassen die beiden Massenspektrometer des Instruments ROSINA auf der Rosetta-Sonde ausschließlich flüchtige Elemente aus der Gashülle des Kometen „Tschuri“. Unerwartet tauchten bei den Ergebnissen aber auch feste Elemente wie Natrium auf, die nicht aus der Hülle stammten konnten. Das ROSINA-Team um Peter Wurz vom Physikalischen Institut und Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern vermutete, diese stammten von der Kometenoberfläche. Sie wurden wohl vom Sonnenwind herausgeschlagen und gingen ROSINA so ins Netz.
Abb.: „Mission selfie“ von Rosetta mit Tschuri aus einer Entfernung von 16 Kilometern, aufgenommen am 7. Oktober 2014. (Bild: ESA / Rosetta / Philae / CIVA)
Um diese These zu erhärten, gingen die Forschenden auf die Suche nach weiteren festen Elementen, als sich die Rosetta-Sonde in einer Entfernung von nur zehn Kilometern zu Tschuri befand – und wurden fündig. Damit ließ sich erstmals belegen, dass der Sonnenwind die Oberfläche des Kometen erreicht und dort Atome herauslöst. Im Gegensatz dazu kann die Erdoberfläche vom Sonnenwind nicht beschossen werden: Die Erdatmosphäre und das Magnetfeld der Erde schirmen sie vor den geladenen Teilchen ab. Diese werden höchstens am Himmel sichtbar, etwa als Polarlicht.
Auch auf die Kometenoberfläche wirkt der Sonnenwind nur noch kurz ein: Je näher Tschuri zur Sonne kommt, desto mehr verdampft von seinem Eis, und umso stärker wird seine Ausgasung. Diese wird den Sonnenwind abbremsen und ablenken, so dass er nicht mehr auf die Oberfläche gelangt. Die von ROSINA vorgenommenen Messungen von Elementen aus der Oberfläche wären zu einem späteren Zeitpunkt also nicht mehr möglich gewesen. Die internationale Forschergruppe konnte nun dieses Zeitfenster mit Einwirkung des Sonnenwinds nutzen und erstmals Elemente aus der gesamten Kometenoberfläche bestimmen. Die Forschenden sprechen von einem großen Glücksfall: „Wir müssen immer mit solch unerwarteten Ergebnissen rechnen, deshalb bleiben unsere Instrumente die ganze Zeit über eingeschaltet“, sagt Kathrin Altwegg, Projektverantwortliche von ROSINA.
Die Oberflächen-Atome wurden aus einer Entfernung von rund zehn Kilometern aufgefangen. Dabei war auf der „Sommerseite“ des Kometen, die zur Zeit der Beobachtungen meistens von der Sonne beschienen wurde, die Ausgasung von Wasser viel stärker als auf der „Winterseite“, die größtenteils im Schatten lag. Auf der Winterseite konnte somit der Sonnenwind ungehindert auftreffen, weshalb von dieser Seite viel mehr dieser losgelösten Oberflächen-
Aus allen empfangenen Atomen konnten die Forschenden das durchschnittliche Auftreten von Elementen auf der gesamten Kometenoberfläche bestimmen. So findet sich dort Natrium, Silizium, Kalium, Kalzium und Magnesium – Elemente, die aus der Meteoritenforschung gut bekannt sind. Die Häufigkeit dieser Atome vom Kometen entsprechen dabei in etwa den Häufigkeiten in Chondriten, der ältesten Klasse von Meteoriten. „Eine Verwandtschaft zwischen Tschuri und solchen Meteoriten ist deshalb naheliegend“, sagt Peter Wurz.
U. Bern / DE