Der Supraleitung auf der Spur
Fermionische Paarbildung bei hohen Temperaturen: Nachweis eines exotischen Materiezustands gelungen.
Mithilfe ultrakalter Atome haben Wissenschaftler der Universität Heidelberg einen exotischen Materiezustand nachgewiesen. Dabei bilden die zugrundeliegenden Teilchen Paare, wenn ihre Bewegung auf zwei Dimensionen beschränkt wird. Diese Erkenntnisse aus der Quantenphysik könnten wichtige Hinweise liefern, um Phänomene der Supraleitung besser zu verstehen.
In einem bereits bekannten und gut verstandenen Szenario wird die Paarbildung allein durch die Attraktion zwischen zwei Fermionen verursacht (grüne Linien). Bei starken Wechselwirkungen zwischen den Fermionen findet jedoch eine andere Art der Paarbildung statt, die stark von der Dichte des umliegenden Mediums abhängt (graue Wolken). Demnach ist in diesem Zustand jedes Teilchen nicht nur mit einem anderen Teilchen gepaart, sondern es gibt zusätzlich weitere Korrelationen mit anderen Teilchen in der Umgebung. (Bild: P. Murthy)
Die technologisch besonders interessante Klasse der Hochtemperatursupraleiter mit ihren ungewöhnlich hohen Sprungtemperaturen ist noch nicht vollständig verstanden. Erwiesen ist allerdings, dass eine bestimmte Sorte von Teilchen – die Fermionen – notwendigerweise Paare bilden müssen, um supraleitend werden zu können. Wie zudem bekannt ist, haben viele Materialien, die supraleitende Eigenschaften bei vergleichsweise hohen Temperaturen aufweisen, eine geschichtete Struktur. „Dies bedeutet, dass die Bewegung der Elektronen in derartigen Quantensystemen effektiv auf zwei Dimensionen beschränkt ist“, so Projektleiter Selim Jochim vom Physikalischen Institut der Universität Heidelberg. „Offen war bisher jedoch die Frage, wie die Paarbildung im Verbund mit der Zweidimensionalität zu höheren Sprungtemperaturen führen kann.“
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurden am Zentrum für Quantendynamik Experimente mit ultrakalten Atomen durchgeführt. Diese Atome wurden dabei in zweidimensionalen, durch einen fokussierten Laserstrahl erzeugten Fallen gefangen. „In Festkörpern, wie etwa Kupferoxiden, gibt es viele konkurrierende Effekte und zudem Unreinheiten, die diese Materialien schwer beschreibbar machen. Daher nutzen wir ultrakalte Atome, um das Verhalten von Elektronen in einem Festkörper zu simulieren. Wir sind damit in der Lage, sehr reine Proben zu erzeugen, und haben volle Kontrolle über die entscheidenden Parameter des Systems“, erklärt Puneet Murthy vom Zentrum für Quantendynamik der Universität Heidelberg.
Zum Einsatz kam bei diesen Experimenten eine Technik, die unter dem Namen Radiofrequenzspektroskopie bekannt ist. Damit untersuchen die Wissenschaftler, wie Atome auf einen Radiofrequenzpuls ansprechen. Auf diese Weise konnten sie genau feststellen, wann und in welcher Form es zu einer Paarbildung kam. Die Messungen wurden zudem für verschiedene Wechselwirkungsstärken zwischen den Fermionen durchgeführt. Bei diesen Untersuchungen stießen die Forscher auf einen exotischen Materiezustand. Aus der Theorie ist bekannt, dass schwach wechselwirkende Fermionen bei derselben Temperatur Paare bilden sollten, bei der sie auch supraleitend werden. Als jedoch die Wissenschaftler die Stärke der Wechselwirkungen in den Experimenten erhöhten, beobachteten sie, dass bei starker Wechselwirkung die Paarbildung bereits bei einem Vielfachen der Sprungtemperatur erfolgte.
„Langfristiges Ziel unserer Forschung ist es, ein tieferes Verständnis dieser Phänomene zu erlangen. Dafür starten wir mit kleinen Systemen, die wir Atom für Atom zusammensetzen“, sagt Jochim. An den Forschungsarbeiten waren auch Wissenschaftler des Instituts für Theoretische Physik sowie Forscher der Simon Fraser University in Vancouver (Kanada) beteiligt.
RKU / OD