27.12.2017

Der Supraleitung auf der Spur

Fermionische Paar­bildung bei hohen Tempe­ra­turen: Nach­weis eines exoti­schen Mate­rie­zustands ge­lungen.

Mithilfe ultrakalter Atome haben Wissen­schaftler der Universität Heidelberg einen exoti­schen Materie­zustand nachgewiesen. Dabei bilden die zugrunde­liegenden Teilchen Paare, wenn ihre Bewegung auf zwei Dimen­sionen beschränkt wird. Diese Erkennt­nisse aus der Quanten­physik könnten wichtige Hinweise liefern, um Phänomene der Supra­leitung besser zu verstehen.

In einem bereits bekannten und gut verstan­denen Szenario wird die Paar­bildung allein durch die Attrak­tion zwischen zwei Fermionen verursacht (grüne Linien). Bei starken Wechsel­wirkungen zwischen den Fermionen findet jedoch eine andere Art der Paar­bildung statt, die stark von der Dichte des umlie­genden Mediums abhängt (graue Wolken). Demnach ist in diesem Zustand jedes Teilchen nicht nur mit einem anderen Teilchen gepaart, sondern es gibt zusätz­lich weitere Korrela­tionen mit anderen Teilchen in der Umgebung. (Bild: P. Murthy)

Die technologisch besonders interessante Klasse der Hoch­temperatur­supra­leiter mit ihren ungewöhnlich hohen Sprung­tempera­turen ist noch nicht vollständig verstanden. Erwiesen ist allerdings, dass eine bestimmte Sorte von Teilchen – die Fermionen – notwen­diger­weise Paare bilden müssen, um supra­leitend werden zu können. Wie zudem bekannt ist, haben viele Materialien, die supra­leitende Eigen­schaften bei ver­gleichs­weise hohen Tempera­turen aufweisen, eine geschichtete Struktur. „Dies bedeutet, dass die Bewegung der Elek­tronen in derartigen Quanten­systemen effektiv auf zwei Dimensionen beschränkt ist“, so Projektleiter Selim Jochim vom Physika­lischen Institut der Universität Heidelberg. „Offen war bisher jedoch die Frage, wie die Paar­bildung im Verbund mit der Zwei­dimensio­nalität zu höheren Sprung­tempera­turen führen kann.“

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurden am Zentrum für Quanten­dynamik Experimente mit ultrakalten Atomen durchgeführt. Diese Atome wurden dabei in zweidimen­sionalen, durch einen fokus­sierten Laserstrahl erzeugten Fallen gefangen. „In Festkörpern, wie etwa Kupferoxiden, gibt es viele konkur­rierende Effekte und zudem Unrein­heiten, die diese Materi­alien schwer beschreibbar machen. Daher nutzen wir ultra­kalte Atome, um das Verhalten von Elektronen in einem Fest­körper zu simulieren. Wir sind damit in der Lage, sehr reine Proben zu erzeugen, und haben volle Kontrolle über die entschei­denden Parameter des Systems“, erklärt Puneet Murthy vom Zentrum für Quanten­dynamik der Univer­sität Heidelberg.

Zum Einsatz kam bei diesen Experimenten eine Technik, die unter dem Namen Radiofrequenzspektroskopie bekannt ist. Damit untersuchen die Wissen­schaftler, wie Atome auf einen Radiofrequenzpuls ansprechen. Auf diese Weise konnten sie genau feststellen, wann und in welcher Form es zu einer Paar­bildung kam. Die Messungen wurden zudem für verschiedene Wechsel­wirkungs­stärken zwischen den Fermionen durchgeführt. Bei diesen Unter­suchungen stießen die Forscher auf einen exotischen Materie­zustand. Aus der Theorie ist bekannt, dass schwach wechsel­wirkende Fermionen bei derselben Temperatur Paare bilden sollten, bei der sie auch supra­leitend werden. Als jedoch die Wissen­schaftler die Stärke der Wechsel­wirkungen in den Experi­menten erhöhten, beobachteten sie, dass bei starker Wechsel­wirkung die Paar­bildung bereits bei einem Vielfachen der Sprung­temperatur erfolgte.

„Langfristiges Ziel unserer Forschung ist es, ein tieferes Verständnis dieser Phänomene zu erlangen. Dafür starten wir mit kleinen Systemen, die wir Atom für Atom zusammen­setzen“, sagt Jochim. An den Forschungs­arbeiten waren auch Wissen­schaftler des Instituts für Theore­tische Physik sowie Forscher der Simon Fraser University in Vancouver (Kanada) beteiligt.

RKU / OD

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