Es war die astrophysikalische Sensation des Jahres: Am 11. Februar gab das LIGO-Team den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen bekannt. Bereits am 14. September des Vorjahres hatten die beiden LIGO-Detektoren in den USA das Ereignis nahezu zeitgleich registriert. Erste Gerüchte machten früh die Runde, doch die beteiligten Forscher hielten sich bedeckt – angesichts ihrer Bedeutung sollte die Meldung der Entdeckung unanfechtbar sein. Schließlich präsentierte das LIGO-Team das 0,2 Sekunden dauernde Signal mit einer Signifikanz von über fünf Sigma. Die Form des Signals entsprach exakt den Vorhersagen numerischer Simulationen für die Kollision und Verschmelzung zweier schwarzer Löcher. Die beste Anpassung an die Simulationen ergibt sich für die Verschmelzung von zwei schwarzen Löchern mit der 29-fachen und der 36-fachen Sonnenmasse in 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung. Dabei ist ein schwarzes Loch mit der 62-fachen Sonnenmasse entstanden – drei Sonnenmassen wurden in Form von Gravitationswellen als Energie abgestrahlt.
Abb.: Dreidimensionale Simulation der Gravitationswellen von zwei schwarzen Löchern, die sich auf einer engen Bahn umkreisen. (Bild: C. Henze, NASA)
Bereits im Juni gab das LIGO-Team den Nachweis eines zweiten Gravitationswellen-Signals bekannt, empfangen am 26. Dezember 2015. Das im Vergleich deutlich schwächere Signal wurde von schwarzen Löchern mit 8 und 14 Sonnenmassen verursacht, die zu einem schwarzen Loch mit 21 Sonnenmassen verschmolzen sind. Damit hat LIGO ein neues Fenster zum Kosmos aufgestoßen: Die Forscher rechnen mit dem Nachweis vieler weiterer ähnlicher Ereignisse – insbesondere wenn die Detektoren erst ihre volle Empfindlichkeit erreicht haben –, die neue Einblicke in die Entwicklung massereicher Sterne und exotischer Materiezustände liefern können.
So simulierten Krzysztof Belczynski von der Universität Warschau und seine Kollegen beispielsweise zwanzig Millionen Doppelsterne von der Zündung der Kernfusion über den Kollaps zu schwarzen Löchern bis zur deren Verschmelzung. Dann verglichen sie die Ergebnisse mit den aus dem ersten LIGO-Signal abgeleiteten Daten für die schwarzen Löcher. Am wahrscheinlichsten ist demnach ein System aus einem Stern mit der 40- bis 100-fachen Sonnenmasse und einem Stern mit der 40- bis 80-fachen Sonnenmasse als Vorgängersystem der beiden schwarzen Löcher.
Luciano Rezzolla von der Uni Frankfurt und Cecilia Chirenti von der Universität in Sao Paolo nahmen noch einmal die genaue Form des Signals unter die Lupe, insbesondere die Abklingphase des Ereignisses. Denn die Frequenzen der Abklingphase sind eine Art Fingerabdruck der Quelle der Gravitationswellen – hier ließen sich am ehesten Abweichungen von der Theorie aufspüren. Wenn etwa Quanteneffekte den Kollaps zu einem schwarzen Loch aufhalten, könnte stattdessen ein Gravastern aus exotischer Materie entstehen – nahezu so kompakt wie ein schwarzes Loch, aber ohne Ereignishorizont. Doch wie Rezzolla und Chirenti zeigen konnten, passt eine Gravastern-Verschmelzung nicht zu der Form der Signale – die LIGO-Signale sind also nicht durch Gravasterne verursacht.
Die Beobachtung von Gravitationswellen könnte auch helfen, das Rätsel der dunklen Materie zu lösen, wie Forscher des MPI für Kernphysik zeigen. Bilden die Teilchen der dunklen Materie nämlich ein Bose-Einstein-Kondensat, so bremst dieses die Gravitationswellen ab. Ließe sich also ein Gravitationswellen-Ereignis, das von der Erde aus gesehen hinter einer Galaxie stattfindet, auch mit Neutrinos oder im Gammabereich beobachten, so könnten die Forscher anhand der Zeitunterschiede der Signale entscheiden, ob die dunkle Materie aus einem Bose-Einstein-Kondensat besteht oder nicht.
Nachbarn im All
Exoplaneten, Exoplaneten, Exoplaneten – Gerüchten zufolge stößt so manchem Astrophysiker die Dominanz dieses neuen Forschungsfeldes auf Tagungen und vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen schon ein wenig sauer auf. Aber es ist nun einmal die Suche nach einer „zweiten Erde“ und die Frage, ob wir allein im All sind oder ob da draußen noch andere intelligente Wesen existieren, die die Phantasie der Menschen am stärksten anregt. So sorgte wenig überraschend insbesondere die Entdeckung eines Planeten in der lebensfreundlichen Zone um Proxima Centauri – unserem nächsten stellaren Nachbarn im All – für einiges Aufsehen. Im Gegensatz zu anderen Exoplaneten, die Hunderte oder gar Tausende von Lichtjahren entfernt sind, erscheint der vier Lichtjahre entfernte Proxima Centauri b fast schon erreichbar. Tatsächlich plant die vom russischen Milliardär Juri Milner finanzierte Initiative „Breakthrough Starshot“ die Entsendung von Nanosonden in das Nachbarsystem.
Abb.: So könnte es auf dem Planeten Proxima Centauri b aussehen (künstlerische Darstellung; Bild: M. Kornmesser, ESO)
Die bislang besten Kandidaten für die Suche nach Leben jenseits des Sonnensystems umkreisen jedoch den vierzig Lichtjahre entfernten Zwergstern 2MASS J23062928-0502285. Die drei mit dem TRAPPIST-Teleskop am La-Silla-Observatorium der ESO entdeckten Planeten sind ähnlich groß wie die Erde. Zwei der Planeten haben Umlaufperioden von etwa 1,5 Tagen und 2,4 Tagen, der dritte Planet hat eine weniger gut bestimmte Umlaufdauer im Bereich zwischen 4,5 und 73 Tagen. Obwohl sie den Zwergstern sehr eng umkreisen, erhalten die inneren zwei Planeten nur das Vier- und das Zweifache der Menge an Strahlung, die auf die Erde trifft, da ihr Stern deutlich lichtschwächer als die Sonne ist. Sie befinden sich damit zwar näher am Stern als die habitable Zone, trotzdem könnte es lebensfreundliche Regionen auf ihren Oberflächen geben. Über die Umlaufbahn des äußeren Planeten ist weniger bekannt, er erhält vermutlich weniger Strahlung als die Erde, könnte aber innerhalb der habitablen Zone liegen.
Insgesamt haben Astronomen inzwischen über 3500 Planeten bei anderen Sternen nachgewiesen. Inzwischen steht daher nicht länger die Entdeckung, sondern die – zumeist indirekte – Beobachtung der physikalischen Eigenschaften der Exoplaneten im Vordergrund. Insbesondere bei Planeten, die aufgrund der Lage ihrer Umlaufbahn von der Erde aus gesehen vor und hinter ihrem Stern vorüberziehen, liefert absorbiertes und reflektiertes Sternenlicht Informationen über die Atmosphäre. Unterschiede zwischen Atmosphärenmodellen und Beobachtungen könnten künftig Hinweise auf geologische und sogar biologische Prozesse liefern.
Doch die komplexe Atmosphärenchemie macht die Modellierung extrem aufwändig – bisher. Das könnte sich durch eine Idee von Kevin Heng von der Uni Bern künftig ändern. Dem Forscher gelang es ganz unerwartet, das System gekoppelter nichtlinearer Gleichungen „von Hand“ zu entkoppeln. Dadurch reduziert sich das System auf eine einzige Polynomgleichung – und die Rechenzeit für ein Atmosphärenmodell von Minuten auf Millisekunden. Dank dieser gewaltigen Beschleunigung lassen sich die verschiedenen Möglichkeiten bei der Interpretation der Spektren der Planetenatmosphären künftig gründlicher untersuchen.
Blick durch den Staub
Als wichtiges Instrument zur Untersuchung insbesondere der Entstehung von Planetensystem erweist sich – erwartungsgemäß – immer mehr ALMA, das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, die aus 66 Antennen bestehende internationale Radioteleskopanlage in Chile. So lieferten ALMA-Messungen an der 400 Lichtjahre entfernten Rho-Ophiuchus-Sternentstehungsregion den paradoxen Befund, dass der Staub in der aufgrund ihres Aussehens als „fliegende Untertasse“ bezeichneten protoplanetaren Scheibe kälter ist als die direkt dahinter liegenden Molekülwolken. Da die Scheibe von ihrem Zentralstern erwärmt wird, deutet dies auf ungewöhnliche Eigenschaften des Staubs. Es könnte sich beispielsweise um poröse Zusammenschlüsse aus kleineren kompakten Körnern handeln.
Abb.: Das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array ALMA unter dem südlichen Sternenhimmel. (Bild: B. Tafreshi, ESO)
Und das hat möglicherweise erhebliche Konsequenzen für die Planetenentstehung, da die Verklumpung der Staubkörner der erste Schritt dieses Prozesses ist. Auch für die Entstehung von Leben könnte die Struktur des Staubs wichtig sein, da die Oberflächen der Staubkörner Miniatur-Laboratorien sind, in denen sich selbst kompliziertere organische Verbindungen bilden können.
Auch in die nächste Phase der Planetenentstehung, der Bildung immer größerer Gesteinsbrocken, lieferte ALMA neue Einblicke. Aufnahmen des jungen Sterns Elias 2-27, ebenfalls in der Rho-Ophiuchus-Sternentstehungsregion gelegen, zeigen erstmals eine spiralförmige Struktur in einer protoplanetaren Scheibe. Das ist zugleich der erste direkte Hinweis auf spiralförmige Dichtewellen in einer solchen Gas- und Staubscheibe. Diese Dichtewellen können innerhalb der Scheibe zu Instabilitäten führen und damit in Teilgebieten zu einer deutlich größeren Dichte. Dies kann die Bildung von Planetenbausteinen aus den Gesteinsbrocken auslösen. Ohne einen solchen Prozess würden metergroße Körper durch Reibung abgebremst in den Zentralstern fallen und es könnten keine Planeten entstehen.
ALMA ist auch in anderen Bereichen erfolgreich, etwa in der Erforschung aktiver Galaxienkerne. So zeigen Beobachtungen der Galaxie W2246-0526 die stürmische Geburt eines Quasars. W2246-0526 ist die leuchtkräftigste uns bekannte Galaxie im Universum – und sie ist ein HotDOG, eine Hot Dust-Obscured Galaxy. Der zwischen der Infrarot-Strahlung und der traditionellen Radiostrahlung liegende Wellenlängen-Bereich von ALMA eignet sich besonders gut, um dichte Staubschleier zu durchdringen – und so gelang den Forschern erstmals ein tiefer Blick in das Innere von W2246-0526. Sie fanden große Mengen interstellarer Materie in einem extrem dynamischen Stadium, die mit etwa zwei Millionen Kilometern pro Stunde durch die Galaxie rast. Ursache der Dynamik dürfte die immense Leuchtkraft des Galaxienkerns sein, einer Akkretionsscheibe um ein supermassives schwarzes Loch. Der enorme Strahlungsdruck treibt das Gas aus der Galaxie heraus und verwandelt den HotDOG so mittelfristig in einen normalen Quasar.
Rainer Kayser
Weitere Infos
- R. Kayser: Wolkenlose Riesenplaneten, fehlende Gravitationswellen und die große Leere, Jahresruckblick Astrophysik, Astronomie und Kosmologie 2015, pro-physik.de, 28. Dezember 2015
- R. Kayser: Exoplaneten, Magnetfelder und kosmische Strukturen, Jahresruckblick Astrophysik, Astronomie und Kosmologie 2014, pro-physik.de, 29. Dezember 2014
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