21.03.2017

Deutsch-russisches Raumfahrt-Jubiläum

Vor 25 Jahren begann die deutsch-russische Kooperation auf der Raumstation MIR.

Fast auf den Tag genau vor 25 Jahren, am 19. März 1992, schwebte mit Klaus-Dietrich Flade der erste Deutsche als Kosmonaut in die russische Raumstation MIR ein. Flade ist ausgebildeter Testpilot sowie Luft- und Raumfahrtingenieur und blieb im Rahmen der MIR’92-Mission sechs Tage lang als Wissenschafts­kosmonaut auf dem damals einzigen Außenposten der Menschheit im All. Reinhold Ewald, Physiker und seit 1990 deutscher Astronaut, ist bei MIR’92 Flades Ersatzmann. Ewald selbst fliegt fünf Jahre später, vom 10. Februar bis zum 2. März 1997, mit der Mission MIR’97 zum ersten Mal als Kosmonaut auf die russische Raumstation.

Abb.: Klaus-Dietrich Flade und Reinhold Ewald 1992 beim MIR-Training (Bild:...
Abb.: Klaus-Dietrich Flade und Reinhold Ewald 1992 beim MIR-Training (Bild: picture-alliance / RIA Nowosti)

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war feder­führend an beiden Missionen beteiligt: Die Projekt­leitung inklusive der Auswahl der wissenschaftlichen Experimente hatte die damalige Deutsche Agentur für Raumfahrt­angelegenheiten (DARA, heute DLR Raumfahrt­management). Der Deutschen Forschungs­anstalt für Luft- und Raumfahrt – ab 1989 das DLR – oblag demgegenüber die Aufgabe, die Astronauten auszuwählen und zu trainieren.

„Beide Missionen – MIR’92 und MIR’97 – legten die Basis für eine bis heute anhaltende fruchtbare deutsch-russische Kooperation in der Raumfahrt. Sigmund Jähn war der Pionier auf Saljut, ihm folgten Klaus-Dietrich Flade und Reinhold Ewald auf MIR. Heute arbeiten regelmäßig deutsche Astronauten und Wissenschaftler mit ihren russischen Kollegen auf der Internationalen Raum­station ISS und bei vielen weiteren Raumfahrt­projekten vertrauensvoll zusammen. Das Doppel­jubiläum, das wir dieses Jahr begehen – 25 Jahre MIR’92 und 20 Jahre MIR’97 – ist deshalb für uns ein freudiger Anlass, zurückzublicken, aber auch ein wichtiger Auftrag, um in die Zukunft zu schauen und weiter an einer gemeinsamen und friedlichen Nutzung der Raumfahrt zu arbeiten – ganz im Sinne der MIR, der Station für den Frieden", verdeutlicht Gerd Gruppe, DLR-Vorstand für das Raumfahrt­management.

Die Mission MIR’92 markiert den Beginn der bilateralen gesamtdeutsch-russischen Kooperation im All. „Die Idee entstand bei dem Treffen zwischen dem damaligen russischen Präsidenten Michail Gorbatschow und dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl Mitte Juli 1990 im Kaukasus, viele erinnern sich an das berühmte Foto, bei dem Gorbatschow und Kohl auf Baum­stämmen hocken und über Weltpolitik sprechen. Beide Politiker waren der Meinung, mit einer Raumfahrt-Mission die neuen deutsch-russischen Beziehungen eindrücklich zu unterstreichen", schildert Klaus-Dietrich Flade den Hintergrund. Am 8. Oktober 1990, wenige Tage nach der deutschen Wieder­vereinigung, wurden die Kosmonauten in Dresden vorgestellt. „Einen Monat später, am 12. November 1990, begann mein Training für die MIR’92-Mission. Wir haben dann in sehr kurzer Zeit die Mission mit 14 Experimenten vorbereitet, bevor es am 17. März 1992 an Bord einer Sojus-Trägerrakete zur MIR ging", erinnert sich der Wissenschafts­kosmonaut. Bis heute besonders lebhaft und nachdrücklich im Gedächtnis ist Flade und seinem Crew­kollegen Reinhold Ewald das persönliche Treffen mit Gorbatschow im November 1990 auf dem Petersberg bei Bonn.

Von den 14 Experimenten der MIR’92-Mission waren fünf vom DLR bereitgestellt. Im Fokus lagen medizinische Experimente zur Verteilung der Körper­flüssigkeiten in Schwerelosigkeit, zu Schlaf und Tag-Nacht-Rhythmus im All und psychologische Leistungstests. Messungen zum Strahlen­schutz und material­wissenschaftliche Forschung gehörten ebenfalls dazu.

Während Klaus-Dietrich Flade seine Arbeit an Bord der MIR noch handschriftlich dokumentieren musste, war 1997 schon ein Laptop an Bord: „Vieles hat sich seit der MIR-Zeit positiv entwickelt. Wir haben damals automatische Prozeduren getestet, die heute auf der ISS Standard sind. Wir konnten nur 15 Minuten pro Umlauf von der MIR zur Erde funken, genau dann, wenn wir die russischen Boden­stationen überflogen haben. Ein Beispiel: Heute werden Datenmengen von 50 Megabit und mehr pro Sekunde nach unten geschickt. Auf der MIR hingegen musste noch ein Teil des Sprach­frequenz­spektrums im Funk ausgeblendet werden, um uns Informationen mit 1000 Bit Übertragungs­rate als Fax zu schicken", erzählt Reinhold Ewald. „In der Zeit der MIR wurden aber wichtige Arbeits­grundlagen geschaffen, die heute auch noch auf der ISS vom Prinzip her angewendet werden. Wir konnten uns zudem schon kennenlernen und Vertrauen schaffen in die jeweiligen Kompetenzen."

Reinhold Ewald, heute Professor für Astronautik in Stuttgart, war vor 20 Jahren 16 Tage an Bord der MIR, zwölf der insgesamt 36 Experimente wurden vom DLR beigestellt. Der Schwerpunkt lag auch hier auf der Human­medizin, also der Auswirkung der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper. Und trotz eines Feuers an Bord der Station brachte Ewald ein überraschendes Ergebnis, das bis heute weiter erforscht wird, zur Erde zurück: Er war der erste Raumfahrer, bei dem durch kontrollierte Messungen über 20 Tage gezeigt werden konnte, dass sein Körper in der Schwerelosigkeit verhältnis­mäßig mehr Salz als Wasser eingelagert hatte. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass die Salz-Wasser-Speicherung proportional erfolgt. Später wurde entdeckt, dass dieses überschüssige Salz direkt unter der Haut gespeichert wird. Diese Erkenntnisse flossen auch in Forschungen zum Knochenstoff­wechsel und Knochen­abbau sowie in das Verständnis der Immun­reaktion in Schwerelosigkeit ein. Heute weiß man: Ein hoher Salz­konsum beschleunigt den Knochen­abbau – auf der Erde wie im All.

DLR / DE
 

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