24.11.2017

Diamant in Graphit umgewandelt

Erste detaillierte Beobachtung der Phasenumwandlung zwischen den Kohlen­stoff-Zuständen.

Per Röntgenlaser hat ein internationales Forscherteam Diamant in Graphit ver­wandelt. Was auf den ersten Blick nicht gerade erstre­bens­wert erscheint, ist ein ent­schei­dender Schritt, um das grund­legende Ver­halten von Fest­körpern unter energie­reicher Bestrah­lung zu ver­stehen. Erst­mals konnte das Team in seinen Experi­menten den zeit­lichen Ablauf der Graphi­ti­sie­rung von Diamant beob­achten. „Den Graphi­tisie­rungs­prozess zu ver­stehen, ist – abge­sehen von den grund­legenden Aspekten – für alle diamant­basierten Techno­logien von Bedeu­tung, da Diamant zuneh­mend für prak­tische Anwen­dungen genutzt wird“, erläutern die Wissen­schaftler um Franz Tavella vom Beschleun­iger­zentrum SLAC in den USA.

Abb.: Diamant und Graphit sind zwei unter­schied­liche Formen von Kohlen­stoff, die sich inein­ander um­wandeln lassen. Den Ablauf der Graphi­ti­sie­rung von Diamant haben die Forscher nun per Röntgen­laser erst­mals detail­liert ver­folgt. (Bild: G. Born, DESY)

Diamant und Graphit sind unterschiedliche Formen von Kohlen­stoff, die sich durch ihre innere Kristall­struktur unter­scheiden. Diamant ist die Hoch­druck-Variante, die sich im Inneren der Erde bildet und unter Normal­bedin­gungen an der Erd­ober­fläche meta­stabil ist. Das bedeutet, Diamant wandelt sich unter Normal­bedin­gungen von selbst in Graphit um, wenn der Vor­gang mit aus­reichender Energie­zufuhr ange­stoßen wird. Es gibt dazu ver­schie­dene Wege, unter anderem durch Erhitzen unter Aus­schluss von Sauer­stoff oder sogar durch mecha­nische Schläge. Der umge­kehrte Weg funktio­niert auch: Mit Hitze und Hoch­druck lassen sich aus Graphit künst­liche Diamanten formen.

Die Forscher beschossen 0,3 Millimeter dünne Diamant­scheiben mit den ultra­kurzen Blitzen des italie­nischen Freie-Elektronen-Röntgen­lasers FERMI in Triest. Derart inten­sive Laser­pulse zer­stören normaler­weise die innere Ordnung eines Fest­körpers, die daraus folgende innere Unord­nung nennen Forscher amorph. Diamant ist dabei eine Aus­nahme: Seine innere Struktur geht durch den Beschuss in eine andere Ordnung über, die aus dem Diamanten Graphit macht. „Es war bereits grund­sätz­lich bekannt, dass Diamant graphi­ti­siert, wenn man genügend Energie hinein­schießt“, sagt Sven Toleikis vom DESY. „Aber es war nicht bekannt, wie das genau passiert.“

Dabei gibt es zwei mögliche Pfade: Den gewöhnlichen thermischen Über­gang, bei dem die absor­bierte Energie auf das Kristall­gitter im Diamant über­tragen wird, bis es sich schließ­lich in der Graphit­struktur neu orga­ni­siert. Und den nicht-thermischen Modus, bei dem bereits die Energie, die nur von einem kleinen Teil der Elek­tronen im Diamanten absor­biert wird, aus­reicht, um die inneren Poten­zial­flächen zu ver­schieben und so eine Neu­organi­sation des Kristall­gitters aus­zu­lösen. „Der nicht-thermische Über­gang ist viel schneller als der thermische, der auf der Skala von Piko­sekunden abläuft“, sagt Beata Ziaja vom DESY.

Zusätzlich zu den Experimenten haben die DESY-Forscher Nikita Medvedev, Victor Tkachenko und Beata Ziaja eine Computer­simu­lation für den röntgen­indu­zierten Phasen­über­gang in Diamant ent­wickelt. „Unser Programm sagt vorher, dass der unter­suchte Über­gang nicht-thermisch abläuft, und unsere Experi­mente haben das bestätigt“, sagt Ziaja. Mit den nur etwa fünfzig Femto­sekunden kurzen Röntgen­blitzen von FERMI konnten die Forscher den Ablauf des Phasen­über­gangs ver­folgen und seine Dauer zu ledig­lich etwa 150 Femto­sekunden bestimmen. „Es ist das erste Mal, dass dies zeit­auf­ge­löst beob­achtet werden konnte“, unter­streicht Toleikis.

„Die Röntgenblitze regen die Elektronen an“, erklärt Tavella. „Wenn sich nur etwa 1,5 Prozent der Elek­tronen in einem ange­regten Zustand befinden, beginnt der Kristall bereits, seine innere Organi­sation zu ver­ändern und in den Graphit-Zustand zu kippen.“ Die Beob­ach­tungen beant­worten nicht nur die Frage, wie Diamant zu Graphit wird, sie bestä­tigen auch das für die Simu­lation ent­wickelte Computer­programm. „Wir können das Programm jetzt auch für andere Materi­alien benutzen und haben beispiels­weise bereits Berech­nungen für Silizium und Gallium­arsenid gemacht“, berichtet Ziaja. „Es kann für belie­bige Anregungs­experi­mente mit Röntgen­lasern benutzt werden.“ Wegen der großen indus­triellen Bedeu­tung von Diamant sind seine Stabi­lität und die Frage der Graphi­ti­sierung unter verschie­denen Faktoren wie Hoch­druck, Beschuss mit optischen Lasern und Hitze unter­sucht worden. Erst Freie-Elektronen-Laser mit ihren ultra­kurzen Blitzen haben jedoch die Forscher in die Lage versetzt, den Phasen­über­gang auf der Femto­sekunden-Skala zu verfolgen.

DESY / RK

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