Diamantene Quantencomputer kommen voran
Quantencomputer auf Basis von Spin-Qubits in Diamant zeigen interessante Entwicklungserfolge.
Geringerer Kühlbedarf, längere Operationszeiten, kleinere Fehlerraten: Quantencomputer auf Basis von Spin-Photonen und Diamant versprechen wesentliche Vorteile gegenüber konkurrierenden Quantencomputing-Technologien. Dem vom Fraunhofer IAF koordinierten Konsortium des BMBF-Projekts „SPINNING“ ist es gelungen, die Entwicklung Spin-Photon-basierter Quantencomputer entscheidend voranzubringen. Am 22. und 23. Oktober 2024 präsentierten die Partner die bisherigen Projektergebnisse im Rahmen des Mid-Term-Meetings der BMBF-Fördermaßnahme „Quantencomputer-Demonstrationsaufbauten“ in Berlin.
Sekundenschnell komplexe Probleme lösen, für die selbst moderne Supercomputer Jahrzehnte bräuchten – darin besteht das Versprechen von Quantencomputern. Doch so klar das Ziel vor Augen steht, so unklar ist der Weg dorthin. Denn bis heute konkurrieren mehrere Ansätze zur Realisierung von Quantencomputern miteinander. Und jeder hat hardware- wie softwareseitig spezifische Vor- und Nachteile, die sich von der Zuverlässigkeit über den Energieverbrauch bis hin zur Kompatibilität mit konventionellen Systemen erstrecken.
Unter der Koordination des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF arbeitet ein Konsortium aus 28 Partnern im Projekt „SPINNING – Quantencomputer auf Basis von Spin-Qubits in Diamant“ daran, einen Quantencomputer auf der Grundlage von Spin-Photonen und Diamant zu entwickeln. Dieser soll sich durch geringeren Kühlbedarf, längere Operationszeiten und kleinere Fehlerraten als die anderen Quantencomputing-Ansätze auszeichnen. Das hybride Konzept des Spin-Photon-basierten Quantencomputers sieht darüber hinaus eine höhere Skalierbarkeit und Konnektivität vor, was eine flexible Verbindung mit konventionellen Computern ermöglicht.
„Im Projekt SPINNING wollen wir einen wichtigen Beitrag zum Ökosystem der deutschen Quantentechnologie leisten. Dafür nutzen wir die Materialeigenschaften von Diamant, um eine Quantencomputertechnologie zu entwickeln, die genauso leistungsfähig wie die anderen Technologien sein kann, aber keine ihrer spezifischen Schwächen aufweist. Wir erzeugen Qubits mithilfe von Farbzentren im Diamantgitter, indem wir ein Elektron wahlweise in einem von vier künstlich erzeugten Gitterdefekten (Vakanz-Zentren) fangen, die mit Stickstoff (NV), Silizium und Stickstoff (SiNV), Germanium (GeV) oder Zinn (SnV) dotiert werden. Der Elektronenspin koppelt sich durch magnetische Wechselwirkung mit fünf Kernspins benachbarter C-13-Kohlenstoffisotope. Der zentrale Elektronenspin kann dann als adressierbares Qubit genutzt werden“, erläutert Rüdiger Quay, Koordinator des SPINNING-Verbunds und Institutsleiter am Fraunhofer IAF.
„Die einzelnen Qubits bilden eine Matrixstruktur, das Qubit-Register. Der SPINNING-Quantencomputer soll aus mindestens zwei und später bis zu vier dieser Register bestehen, die wiederum auf weite Entfernungen von zum Beispiel 20 Metern optisch gekoppelt werden, so dass ein übergreifender Informationsaustausch stattfinden kann“, so Quay weiter. Die optische Kopplung zwischen den zentralen Elektronenspins und Registern wird durch einen optischen Router in Kombination mit einer Lichtquelle und einem Detektor zum Auslesen realisiert. Die einzelnen Zustände der Kernspins werden durch Hochfrequenzpulse gesteuert.
Anlässlich des Mid-Term-Meetings der Fördermaßnahme „Quantencomputer-Demonstrationsaufbauten“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), in dessen Rahmen SPINNING gefördert wird, hat das Konsortium am 22. und 23. Oktober 2024 in Berlin die bisherigen Projektergebnisse vorgestellt, die sich durch bemerkenswerte Erfolge kennzeichnen. Es gelang dem Projektteam, erstmals die Verschränkung von zwei Registern aus je sechs Qubits über eine Distanz von 20 Metern erfolgreich zu demonstrieren und dabei eine hohe mittlere Fidelität zu erreichen.
Weitere Projekterfolge umfassen signifikante Verbesserungen in der zentralen Hardware und Software sowie der Peripherie für den Spin-Photon-basierten Quantencomputer: Das Basismaterial und dessen Bearbeitung, die Realisierung von Farbzentren in Diamant zur Erzeugung von Qubits, konnten ebenso verbessert werden wie die Technologie der photonischen Resonatoren. Die Grundlage hierfür bildete ein besseres Verständnis der vier Defekttypen im Diamant-Gitter sowie der Fehlermitigation von Qubits auf Diamant-Basis. Ferner ist es dem Konsortium gelungen, die für den Betrieb des Quantencomputer nötige Elektronik zu entwickeln und erste Anwendungen des Quantencomputers für künstliche Intelligenz zu zeigen.
Der exemplarische Vergleich der Zwischenergebnisse aus SPINNING mit den Kennzahlen von Quantencomputern auf Basis supraleitender Josephson-Kontakte (Superconducting Josephson Junctions, SJJs), in deren Entwicklung bislang weltweit ein Vielfaches der Ressourcen investiert wurde, unterstreicht den Wert der im Projekt geleisteten Arbeit: Der bislang zwölf Qubits umfassende Spin-Photon-basierte Quantencomputer erreicht im Ein-Qubit-Gatter mit einer Fehlerquote von weniger als 0,5 Prozent das gleiche Ergebnis wie die prominenten SJJ-Modelle Eagle (127 Qubits) und Heron (154 Qubits).
Bei der Kohärenzzeit übertrifft der Spin-Photon-basierte Quantencomputer mit einer Länge von über zehn Millisekunden die SSJ-Modelle (> 50 Mikrosekunden) deutlich, obwohl die Distanz bei der Verschränkung mit 20 Metern gegenüber wenigen Millimetern um ein Vielfaches größer ausfällt.
Die verbliebenen technischen Herausforderungen bis zum Projektabschluss umfassen einerseits die Weiterentwicklung des Resonatorendesigns hin zu einer verbesserten Reproduzierbarkeit und einer genaueren Ausrichtung. Zum andern arbeiten die Forscher an einer weiteren Verbesserung der Software, die die Steuerungskontrolle des Spin-Photon-basierten Quantencomputers automatisieren soll.
Fh.-IAF / DE