Die dunkle Seite des Kometen
Rosetta liefert im Streulicht einen ersten Blick auf die Nachtregion von Tschurjumow-Gerasimenko.
Seit Monaten schon liegt die Südseite des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko in ewiger Dunkelheit. Strukturen oder auch nur grobe Formen sind dort unmöglich zu erkennen. Lediglich das Streulicht von Staubpartikeln in der Umgebung des Kometen lässt einige Oberflächenmerkmale erahnen. Und in diesem Licht hat Osiris, das Kamerasystem an Bord der ESA-Raumsonde Rosetta, jetzt einen ersten Blick auf den Kern geworfen.
Abb.: Seitdem Rosetta im August am Kometen 67P eingetroffen ist, hat das Kamerasystem Osiris den Großteil der Oberfläche kartiert. Auf diese Weise wurden beeindruckende Strukturen wie etwa steile Klippen und Brocken sichtbar. Die Südseite von 67P ist jedoch noch völlig unerforscht. (Bild: ESA / MPS / OSIRIS Team)
Da die Rotationsachse des Kerns nicht senkrecht auf der Bahnebene steht, sondern gekippt ist, liegen Teile der Oberfläche zeitweise in dauerhaftem Dunkel. Seit einigen Monaten erfährt die Südseite des Schweifsterns eine solche Polarnacht. Gleichzeitig könnte die dunkle Seite des Kometen helfen, die Aktivität des Körpers besser zu verstehen. „Wenn 67P seinen sonnennächsten Punkt erreicht, trennen ihn nur etwa 186 Millionen Kilometer von unserem Zentralgestirn. In dieser Phase wird gerade diese Südseite beleuchtet und ist somit besonders hohen Temperaturen und starker Strahlung ausgesetzt“, sagt der Leiter des Osiris-Teams, Holger Sierks, vom MPI für Sonnensystemforschung in Göttingen.
Die Wissenschaftler vermuten deshalb, dass diese Seite am stärksten von der Aktivität des Kometen gezeichnet ist. „Wir sind schon sehr gespannt auf den Mai nächsten Jahres. Dann endet die Polarnacht, und wir können die Südseite endlich genau betrachten“, so Sierks.
Abb.: Durch das Licht, das Staubteilchen aus der Koma des Kometen zurückstreuen, lassen sich auf dem Kern von 67P einige Oberflächenstrukturen erahnen. Diese Aufnahme gewann die Osiris-Kamera am 29. September 2014 aus einer Entfernung von etwa 19 Kilometern. (Bild: ESA / MPS / OSIRIS Team)
Bis dahin bietet ein Bild aus den vergangenen Wochen einen kleinen Vorgeschmack. Darin beleuchtet das Streulicht, das Staubteilchen innerhalb der Koma des Kometen reflektieren, seine dunkle Seite. Dadurch lassen sich einige Oberflächenstrukturen erahnen. „Einer normalen Kamera würde diese winzige Lichtmenge kaum weiterhelfen”, erklärt Teammitglied Maurizio Pajola vom Center of Studies and Activities for Space der Universität Pardua in Italien.
Während gewöhnliche Kamaras Informationen in 8 Bits pro Pixel speichern und somit nur 256 verschiedene Graustufen unterscheiden können, ist Osiris eine 16-Bit-Kamera. Das bedeutet, dass ein einzelnes Bild mehr als 65.000 Graustufen enthalten kann – deutlich mehr als etwa ein Computerbildschirm darzustellen in der Lage ist. „Aus diesem Grund kann Osiris schwarze Oberflächen, die dunkler als Kohle sind, und weiße Regionen so hell wie Schnee in ein und demselben Bild abbilden“, so Pajola.
Die Osiris-Wissenschaftler nutzen diese hohe dynamische Bandbreite nicht nur, um in das Dunkel der Polarnacht zu blicken, sondern auch, um Informationen über Regionen zu erhalten, die in manchen Bildern für kurze Zeit im Schatten liegen.
MPG / OD